Bundes­ge­richtshof konkre­ti­siert Pflichten des Betreibers eines Ärztebewertungsportals

Der Kläger ist Zahnarzt. Die Beklagte betreibt unter der Inter­net­adresse www.jameda.de ein Portal zur Arztsuche und ‑bewertung. Dort können Inter­es­sierte Infor­ma­tionen über Ärzte aufrufen. Regis­trierten Nutzern bietet das Portal zudem die Möglichkeit, die Tätigkeit von Ärzten zu bewerten. Die Bewertung, die der jeweilige Nutzer ohne Angabe seines Klarnamens abgeben kann, erfolgt dabei anhand einer sich an Schul­noten orien­tie­renden Skala für insgesamt fünf vorfor­mu­lierte Kategorien, namentlich “Behandlung”, “Aufklärung”, “Vertrau­ens­ver­hältnis”, “genommene Zeit” und “Freund­lichkeit”. Ferner besteht die Möglichkeit zu Kommen­taren in einem Freitextfeld.

Gegen­stand der Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs ist die Bewertung des Klägers durch einen anonymen Nutzer, er könne den Kläger nicht empfehlen. Als Gesamtnote war 4,8 genannt. Sie setzte sich aus den in den genannten Kategorien verge­benen Einzel­noten zusammen, darunter jeweils der Note “6” für “Behandlung”, “Aufklärung” und “Vertrau­ens­ver­hältnis”. Der Kläger bestreitet, dass er den Bewer­tenden behandelt hat.

Der Kläger forderte die Beklagte vorpro­zessual zur Entfernung der Bewertung auf. Diese sandte die Beanstandung dem Nutzer zu. Die Antwort des Nutzers hierauf leitete sie dem Kläger unter Hinweis auf daten­schutz­recht­liche Bedenken nicht weiter. Die Bewertung beließ sie im Portal.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von der Beklagten, es zu unter­lassen, die darge­stellte Bewertung zu verbreiten oder verbreiten zu lassen. Das Landge­richt hat der Klage statt­geben; das Oberlan­des­ge­richt hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Der für das Allge­meine Persön­lich­keits­recht zuständige VI. Zivil­senat des Bundes­ge­richtshofs hat diese Entscheidung aufge­hoben und den Rechts­streit an das Berufungs­ge­richt zurückverwiesen.

Die beanstandete Bewertung ist keine eigene “Behauptung” der Beklagten, weil diese sie sich inhaltlich nicht zu eigen gemacht hat. Die Beklagte haftet für die vom Nutzer ihres Portals abgegebene Bewertung deshalb nur dann, wenn sie zumutbare Prüfungs­pflichten verletzt hat. Deren Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzel­falles. Maßgeb­liche Bedeutung kommt dabei dem Gewicht der beanstan­deten Rechts­ver­letzung, den Erkennt­nis­mög­lich­keiten des Providers sowie der Funktion des vom Provider betrie­benen Dienstes zu. Hierbei darf einem Diens­te­an­bieter keine Prüfungs­pflicht auferlegt werden, die sein Geschäfts­modell wirtschaftlich gefährdet oder seine Tätigkeit unver­hält­nis­mäßig erschwert.

Auf der Grundlage der Feststel­lungen des Berufungs­ge­richts hat die Beklagte ihr oblie­gende Prüfpflichten verletzt. Der Betrieb eines Bewer­tungs­portals trägt im Vergleich zu anderen Portalen von vornherein ein gestei­gertes Risiko von Persön­lich­keits­rechts­ver­let­zungen in sich.
Diese Gefahr wird durch die Möglichkeit, Bewer­tungen anonym oder pseudonym abzugeben, verstärkt. Zudem erschweren es derart verdeckt abgegebene Bewer­tungen dem betrof­fenen Arzt, gegen den Bewer­tenden direkt vorzu­gehen. Vor diesem Hinter­grund hätte die beklagte Portal­be­trei­berin die Beanstandung des betrof­fenen Arztes dem Bewer­tenden übersenden und ihn dazu anhalten müssen, ihr den angeb­lichen Behand­lungs­kontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte sie den Bewer­tenden auffordern müssen, ihr den Behand­lungs­kontakt belegende Unter­lagen, wie etwa Bonus­hefte, Rezepte oder sonstige Indizien, möglichst umfassend vorzu­legen. Dieje­nigen Infor­ma­tionen und Unter­lagen, zu deren Weiter­leitung sie ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG in der Lage gewesen wäre, hätte sie an den Kläger weiter­leiten müssen. Im weiteren Verfahren werden die Parteien Gelegenheit haben, zu von der Beklagten ggf. ergrif­fenen weiteren Prüfungs­maß­nahmen ergänzend vorzutragen.