Abmahn­falle Muster-Wider­rufs­be­lehrung 2014

Seit dem Inkraft­treten der Geset­zes­än­derung betreffend das neue Wider­rufs­recht zum 13.06.2014, müssen sich Online-Händler den Anfor­de­rungen der neuen Wider­rufs­be­lehrung und Infor­ma­ti­ons­pflichten stellen. Das Grund­problem der neuen Muster-Wider­rufs­be­lehrung 2014 besteht darin, dass es nach den gesetz­lichen Gestal­tungs­hin­weisen keine einheit­liche Muster-Wider­rufs­be­lehrung geben kann. Vielmehr hängt die konkrete Ausge­staltung der Wider­rufs­be­lehrung von zahlreichen unter­neh­me­ri­schen Entschei­dungen und von der indivi­du­ellen Bestellung der Kunden ab. Die Unsicherheit der Online-Händler ist daher groß und die Abmahn­welle rollt bereits über die Branche hinweg.
Eine einheit­liche Wider­rufs­be­lehrung scheitert bereits dort, wo der Online-Händler nicht sicher­stellen kann, dass er alle einheitlich bestellten Waren stets zusammen in einer Sendung verschicken wird. Denn sobald eine Bestellung aufge­teilt, also in mehreren Paketen verschickt wird, muss die Belehrung anders lauten als bei der Lieferung in einem Paket.

Sobald ein Händler auch digitale Güter, also insbe­sondere Apps, Software, Musik, Videos, Texte, Bücher usw. auf digitalem Weg, sprich mittels Download oder Streaming, vertreibt, benötigt er ebenfalls eine geson­derte Wider­rufs­be­lehrung. Einzel­heiten hierzu finden Sie in folgendem Beitrag. (Link)

Wird auch sog. nicht-paket­ver­sand­fähige Ware verkauft, hierbei handelt es sich um Spedi­ti­onsware, muss die Wider­rufs­be­lehrung ebenfalls angepasst werden.
Treffen diese Fälle dann noch zusammen, ist das Chaos perfekt und die Online-Händler stehen vor fast unlös­baren Problemen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die gesetz­liche Muster-Wider­rufs­be­lehrung wie sie im Einfüh­rungs­gesetz zum BGB (kurz: EGBGB) in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 II 2 mitsamt ihren Gestal­tungs­hin­weisen abgedruckt ist, gewisse Konstel­la­tionen, sowohl betreffend den Beginn der Wider­rufs­frist als auch hinsichtlich der Rücksen­de­kosten, nicht berücksichtigt.

Erstes Problem: Anpassung des Fristbeginns
Die Muster-Widerufs­be­lehrung muss hinsichtlich des Frist­be­ginns des Wider­rufs­rechts des Verbrau­chers angepasst werden. Dies hängt davon ab, wie viele Waren bestellt und wie diese dann geliefert werden. Schon hier zeigt sich die aktuelle Problemlage deutlich, da der Online-Händler sich hier für einen Textbau­stein entscheiden muss. Unter­schiede ergeben sich verein­facht darge­stellt für folgende Konstellationen:

  1. Der Kunde bestellt eine oder mehrere Waren und erhält diese in einem Paket.
  2. Der Kunde bestellt mehrere Waren und erhält diese in mehreren Paketen.
  3. Der Kunde bestellt eine Ware und erhält diese in mehreren Paketen (Teillie­fe­rungen).

Bereits hier zeigt sich, dass der Online-Händler für jeden Bestell­vorgang eine indivi­duelle Wider­rufs­be­lehrung vorhalten müsste. Freilich setzt dies voraus, dass er bereits im Zeitpunkt der Bestellung genau weiß, wie die Bestellung letzt­endlich ausge­liefert wird. Dies erfordert aber eine Anpassung der Wider­rufs­be­lehrung in Echtzeit, da er verpflichtet ist, die entspre­chende Wider­rufs­be­lehrung vor Abgabe der Vertrags­erkläung des Kunden bereit­zu­stellen! Eine solche dynamische Wider­rufs­be­lehrung ist wohl praktisch kaum reali­sierbar, denn der Händler müsste für jede Ware und jeden Warenkorb in Echtzeit bestimmen können, wie die spätere Auslie­ferung erfolgen wird. Sofern dies überhaupt technisch umsetzbar wäre, so wären Aufwand und Kosten hierfür immens.

Zweites Problem: Belehrung betreffend die Rücksendekosten
Die Muster-Wider­rufs­be­lehrung muss zudem auch hinsichtlich der Tragung der Rücksen­de­kosten im Falle eines Widerrufs durch den Verbraucher angepasst werden. Hier muss der Online-Händler weichen­stel­lende Entschei­dungen treffen. Zunächst geht es darum zu entscheiden, ob er die Ware stets selbst abholt oder der Kunde diese zurück­schicken muss. Dann hat er zu entscheiden, ob er die Kosten der Rücksendung generell und nunmehr freiwillig selbst tragen möchte oder ob er diese, wie gesetzlich vorge­sehen, dem Verbraucher auferlegt. Schließlich kommt es dann noch darauf an, ob es sich um paket­ver­sand­fähige oder nicht-paket­ver­sand­fähige Ware handelt. Es ergeben sich also auch hier zahlreiche Varianten und auch hier muss sich der Händler für lediglich einen der vier vorge­ge­benen Textbau­steine entscheiden.
Zur Auswahl stehen verein­facht folgende Möglichkeiten:

  1. Der Händler übernimmt grund­sätzlich die Rücksendekosten.
  2. Der Kunde trägt die Kosten der Rücksendung. (nur paket­ver­sand­fähige Waren)
  3. Der Kunde trägt die Kosten der Rücksendung in Höhe von … Euro. (für nicht-paket­ver­sand­fähige Waren)
  4. Der Kunde trägt die Kosten. Diese werden geschätzt auf … Euro. (nicht-paket­ver­sand­fähige Waren und Händler kennt die genauen Kosten nicht)

Auch hier zeigt sich deutlich, dass der Online-Händler die Widerufs­be­lehrung in Echtzeit an die jeweilige Bestellung der Kunden anpassen müsste. Und auch hier liegen die Probleme im Detail. So fragt sich, welcher Textbau­stein in den Fällen verwendet werden soll und darf, in denen paket­ver­sand­fähige und nicht-paket­ver­sand­fähige Waren zusammen bestellt werden. Was passiert bspw. wenn eine Ware auf dem Hinweg paket­ver­sand­fähig ist (vakuum­ver­packte Matratze), auf dem Rückweg hingegen nicht mehr (ausge­packte Matratze)? Was ist zu beachten, wenn der Händler die Tragung der Kosten für die Rücksendung davon abhängig machen will, ob diese paket­ver­sand­fähig sind? All diese Probleme und offenen Fragen bereiten den Online-Händlern derzeit erheb­liches Kopfzerbrechen.

Lösung für vorste­hende Probleme:
Da es hier keine “Patent­lösung” für alle denkbaren Konstel­la­tionen gibt, kann Rechts­si­cherheit zuweilen nur durch eine indivi­duelle anwalt­liche Beratung, möglichst durch einen Fachanwalt, gewähr­leistet werden. Die bis dahin verbreitete Praxis, sich eine Muster-Wider­rufs­be­lehrung irgendwo zu kopieren, wird angesichts der aufge­zeigten Problemlage nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen können, allzumal die Gefahr, für eine fehler­hafte Wider­rufs­be­lehrung abgemahnt zu werden, derzeit sehr groß ist.