BGH: Design­schutz eines Kinder­wagen I

Der I. Zivil­senat des Bundes­ge­richtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2011 durch den Vorsit­zenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Löffler für Recht erkannt:

  1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 20. Zivil­senats des Oberlan­des­ge­richts Düsseldorf vom 30. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Verur­teilung der Beklagten zur Auskunfts­er­teilung und Herausgabe zur Vernichtung sowie die Feststellung der Schadens­er­satz­pflicht sind wirkungslos, soweit sie sich auf Verlet­zungs­hand­lungen beziehen, die nicht im Inland begangen sind.
  3. Von den Kosten des Rechts­streits tragen die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10.

Tatbe­stand:

Die Klägerin, eine in den Nieder­landen ansässige Gesell­schaft, vertreibt weltweit Babypro­dukte. Sie ist Inhaberin des am 3. Juli 2003 angemel­deten und am selben Tag für „Kinder­wagen“ einge­tra­genen sowie am 3. September 2003 bekannt­ge­machten nachstehend wieder­ge­ge­benen Gemein­schafts­ge­schmacks­musters Nr. 000049655–0003:

Die Klägerin vertreibt seit dem Jahr 2003 unter der Marke „Quinny“ das nachfolgend darge­stellte Kinder­wa­gen­modell „ZAPP“:

Vor der Anmeldung des Klage­musters erfolgte die Bekanntgabe der für „Stroller/Poussette d’enfants“   (Kinder­sport­wagen)       inter­na­tional    regis­trierten nachste­henden Geschmacks­muster DM/061845, DM/061834 und DM/061846:

Ebenfalls vor der Anmeldung des Klage­musters wurden die nachste­henden, auszugs­weise wieder­ge­ge­benen Patentund Gebrauchs­mus­ter­an­mel­dungen veröffentlicht:

Die Beklagte, eine in Süddeutschland ansässige GmbH, ist Herstel­lerin von Babyaus­stat­tungen. Sie bietet die im Klage­antrag abgebil­deten Kinder­wagen der Modelle „Fit“ und „Kiss“ an.

Die Klägerin hält die Kinder­wagen der Modelle „Fit“ und „Kiss“ der Beklagten für unzulässige Nachah­mungen ihres Gemein­schafts­ge­schmacks­musters. Sie hat die von der Beklagten vertrie­benen Kinder­wagen zudem als wettbe­werbs­rechtlich unlautere Nachahmung ihres Modells „ZAPP“ beanstandet.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unter­lassung und Auskunfts­er­teilung in Anspruch genommen und die Feststellung der Schadens­er­satz­ver­pflichtung der Beklagten begehrt.

Das Landge­richt hat die Klage abgewiesen (LG Düsseldorf, Urteil vom 19. Februar 2009 14c O 294/08, juris).

In der Berufungs­in­stanz hat die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte unter Androhung der gesetz­lichen Ordnungs­mittel zu verur­teilen, es zu unterlassen,

Kinder­wagen, die die nachste­henden Gestal­tungs­merkmale aufweisen, im Gebiet der Europäi­schen Gemein­schaft herzu­stellen und/oder herstellen zu lassen, anzubieten und/oder anbieten zu lassen, in Verkehr zu bringen oder in Verkehr bringen zu lassen oder zu den vorstehend genannten Zwecken zu besitzen:

  • ellip­tisch geformter Rahmen aus Alumi­ni­um­stangen, dessen Ellip­senform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlau­fende Alumi­ni­um­stange begrenzt wird;
  • Appli­ka­tionen aus schwarzem Kunst­stoff an den Gelenk­stellen und am unteren Ende des Rahmens;
  • Griffe aus schwarzem Kunst­stoff, die die äußeren Streben des Rahmens fortsetzen und nach vorne zeigen;
  • horizontal verlau­fende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Kunst­stoff­ver­satz­stück um das sich in der Mitte befin­dende Gelenk herum;
  • Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen einge­spannt ist;
  • hänge­mat­ten­artige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff einge­lassen ist;
  • zwei Räder im hinteren Bereich, die durch Alumi­ni­um­stangen pfeil­artig mit zwei im Abstand vonein­ander angeord­neten Rädern an der Spitze des Pfeil­seg­ments verbunden sind;

wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind:

  1. die Beklagte zu verur­teilen, der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I 1 bezeich­neten Handlungen begangen hat und zwar unter Angabe
  • der Menge der erhal­tenen oder bestellten Erzeug­nisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Liefe­ranten und anderer Vorbesitzer;
  • der einzelnen Liefe­rungen, aufge­schlüsselt nach Liefer­mengen, •zeiten und •preisen und unter Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer;
  • der betrie­benen Werbung, aufge­schlüsselt nach Werbe­trägern, deren Aufla­gehöhe, Verbrei­tungs­zeitraum und Verbreitungsgebiet;
  • der nach den einzelnen Kosten­fak­toren aufge­schlüs­selten Geste­hungs­kosten und des erzielten Gewinns;
  1. die Beklagte zu verur­teilen, die im unmit­tel­baren oder mittel­baren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befind­lichen Erzeug­nisse entspre­chend vorstehend Ziffer I 1 an einen von der Klägerin zu beauf­tra­genden Gerichts­voll­zieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  1. festzu­stellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend zu Ziffer I 1 bezeich­neten Handlungen entstanden ist und noch entstehen

Das Berufungs­ge­richt hat die Beklagte antrags­gemäß verur­teilt (OLG Düsseldorf, WRP 2011, 614).

Mit ihrer vom Senat zugelas­senen Revision erstrebt die Beklagte die Wieder­her­stellung des landge­richt­lichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Während des Revisi­ons­ver­fahrens hat die Klägerin den Auskunftsund Vernich­tungs­an­spruch sowie den Schadens­er­satz­an­spruch auf Verlet­zungs­hand­lungen im Inland beschränkt. Die Beklagte hat der darin liegenden Klage­rück­nahme zugestimmt.

Entschei­dungs­gründe:

  1. Das Berufungs­ge­richt hat den von der Klägerin verfolgten Unter­las­sungs­an­spruch nach Art. 10 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 1 Buchst. a GGV und die Ansprüche auf Auskunft und Vernichtung gemäß Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 43 Abs. 1, § 46 GeschmMG, 242 BGB sowie den Schadens­er­satz­an­spruch nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 42 Abs. 2 GeschmMG für begründet erachtet.

Hierzu hat es ausgeführt:

Dem Klage­muster komme ein weiter Schutz­be­reich zu. Der Entwerfer eines Kinder­wagens habe nur wenige funktionale Vorgaben zu beachten. Er verfüge deshalb über einen großen Gestal­tungs­spielraum. Das Klage­muster setze sich erheblich vom vorbe­kannten Formen­schatz ab. Die angegrif­fenen Kinder­wa­gen­mo­delle mit den Bezeich­nungen „Kiss“ und „Fit“ erweckten beim infor­mierten Betrachter keinen anderen Gesamt­ein­druck als das Klage­muster. Dem einge­tra­genen Muster sei die Verwendung bestimmter Materialien nicht zu entnehmen. Der die Materialien umfas­sende Klage­antrag stelle sich danach als eine Einschränkung des Klage­an­spruchs dar. In den angegrif­fenen Modellen seien mit Ausnahme der Stütz­kon­struktion die Merkmale nahezu identisch übernommen worden, die das Klage­muster prägten. Die unter­schiedlich gestal­teten Stütz­kon­struk­tionen seien nicht geeignet, den Gesamt­ein­druck zu ändern. Der Front­bügel, das Dach und die Aufbe­wah­rungs­tasche der angegrif­fenen Modelle „Kiss“ und „Fit“ seien Zubehör, das bei der Beurteilung des Gesamt­ein­drucks außer Betracht zu bleiben habe.

Der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadens­ersatz zu. Die Beklagte habe das Klage­muster fahrlässig verletzt. Der Auskunfts­an­spruch folge aus Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 46 GeschmMG und § 242 BGB. Die Klägerin könne auch die Herausgabe der im Besitz und Eigentum der Beklagten befind­lichen rechts­ver­let­zenden Erzeug­nisse beanspruchen. Die Vernichtung sei nicht unver­hält­nis­mäßig. Auf die lauter­keits­recht­lichen Ansprüche, die nur hilfs­weise geltend gemacht worden seien, komme es nicht an.

  1. Die Revision hat keinen Erfolg.
  2. Gegen­stand des Rechts­mittels sind die Verur­teilung nach dem Klage­antrag zu I 1 und nach teilweiser Klage­rück­nahme im Revisi­ons­rechtszug die Verur­teilung zur Auskunfts­er­teilung und Herausgabe zur Vernichtung sowie die Feststellung der Schadens­er­satz­ver­pflichtung nach den Klage­an­trägen zu I 2 und 3 sowie zu II für im Inland begangene Rechts­ver­let­zungen. Soweit die Klägerin die Verur­teilung nach den Klage­an­trägen zu I 2 und 3 sowie II für Verlet­zungs­hand­lungen in anderen Mitglied­staaten begehrt hat, hat sie die Klage wirksam zurück­ge­nommen (§ 269 ZPO).
  3. Die inter­na­tionale Zustän­digkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisi­ons­in­stanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt aus Art. 82 Abs. 1 GGV. Die Beklagte hat ihren Sitz in Deutschland. Für die inter­na­tionale Zustän­digkeit kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte nicht im Zustän­dig­keits­be­reich des Landge­richts Düsseldorf als Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ter­ge­richt geschäfts­an­sässig ist, sondern im Bezirk des Oberlan­des­ge­richts München, für den das Landge­richt München I Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ter­ge­richt ist. Dies berührt nur die örtliche Zustän­digkeit, die der revisi­ons­ge­richt­lichen Nachprüfung entzogen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2010 VIII ZR 341/09, NJW•RR 2011, 72 Rn. 1).

III. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte gemein­schafts­weite Unter­las­sungs­an­spruch wegen Verletzung des Gemein­schafts­ge­schmacks­musters Nr. 000049655–0003 nach Art. 19 Abs. 1 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a GGV zu.

Das Berufungs­ge­richt ist zutreffend davon ausge­gangen, dass im vorlie­genden Verlet­zungs­ver­fahren nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GGV von der Rechts­gül­tigkeit des einge­tra­genen Gemein­schafts­ge­schmacks­musters und damit vom Vorliegen der Schutz­vor­aus­set­zungen (Art. 4 Abs. 1 GGV) der Neuheit (Art. 5 GGV) und der Eigenart (Art. 6 GGV) sowie vom Fehlen von Schutz­aus­schlie­ßungs­gründen (Art. 8, 9 GGV) auszu­gehen ist.

Im Streitfall besteht auch kein Anlass, das vorlie­gende Verfahren im Hinblick auf den gegen das Klage­muster gerich­teten Antrag auf Nichtig­erklärung (Art. 52 GGV) auszu­setzen. Die Voraus­set­zungen des Art. 91 Abs. 1 GGV für eine Aussetzung liegen nicht vor. Die Bestimmung sieht eine Verfah­rens­aus­setzung vor, wenn vor Erhebung einer Klage im Sinne des Art. 81 GGV die Rechts­gül­tigkeit des Gemein­schafts­ge­schmacks­musters bereits aufgrund einer Wider­klage vor einem Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ter­ge­richt angegriffen oder beim Amt bereits ein Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des einge­tra­genen Gemein­schafts­ge­schmacks­musters gestellt worden ist. Das vorlie­gende Verfahren betrifft zwar eine Verlet­zungs­klage nach Art. 81 Buchst. a GGV. Der Antrag auf Nichtig­erklärung vom 14. Mai 2010 ist aber nach Erhebung der vorlie­genden Verlet­zungs­klage gestellt worden.

Eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 3 GGV in Verbindung mit § 148 ZPO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Ob ein Verlet­zungs­ver­fahren im Hinblick auf einen Antrag auf Nichtig­erklärung nach § 148 ZPO auszu­setzen ist, entscheidet sich anhand der Abwägung der Erfolgs­aus­sichten des Verfahrens auf Nichtig­erklärung und der mit der Aussetzung verbun­denen Prozess­ver­zö­gerung (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 2003 I ZR 257/00, BGHZ 156, 112, 119 Kinder I; Urteil vom 25. Januar 2007 I ZR 22/04, BGHZ 171, 89 Rn. 17 Prali­nenform I). Der Antrag auf Nichtig­erklärung ist erst während des Revisi­ons­ver­fahrens gestellt worden. Mit der Aussetzung des Verfahrens wäre eine unzumutbare Verfah­rens­ver­zö­gerung verbunden, die die Klägerin in Abwägung mit den Erfolgs­aus­sichten des Verfahrens auf Erklärung der Nichtigkeit nach Art. 52 Abs. 1 GGV im Interesse einer effek­tiven Rechts­ver­folgung nicht hinnehmen muss.

Das Berufungs­ge­richt hat zutreffend angenommen, dass das Modell „Fit“ das Klage­muster verletzt, weil das angegriffene Muster beim infor­mierten Benutzer keinen anderen Gesamt­ein­druck als das Klage­muster erweckt und daher in dessen Schutz­be­reich fällt (Art. 10 Abs. 1 GGV).

a) Bei der Bestimmung des Schutz­um­fangs des Klage­musters ist nach Art. 10 Abs. 2 GGV ebenso wie bei der Beurteilung der Eigenart nach Art. 6 Abs. 2 GGV der Grad der Gestal­tungs­freiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacks­musters zu berück­sich­tigen. Dabei besteht zwischen dem Gestal­tungs­spielraum des Entwerfers und dem Schutz­umfang des Musters eine Eine hohe Muster­dichte und damit ein kleiner Gestal­tungs­spielraum des Entwerfers führen zu einem engen Schutz­umfang des Musters mit der Folge, dass bereits geringe Gestal­tungs­un­ter­schiede beim infor­mierten Benutzer einen anderen Gesamt­ein­druck hervor­rufen können. Dagegen führen eine geringe Muster­dichte und damit ein großer Gestal­tungs­spielraum des Entwerfers zu einem weiten Schutz­umfang des Musters, so dass selbst größere Gestal­tungs­un­ter­schiede beim infor­mierten Benutzer mögli­cher­weise keinen anderen Gesamt­ein­druck erwecken (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 I ZR 71/08, GRUR 2011, 142 Rn. 17 = WRP 2011, 100 Unter­setzer; KG, ZUM 2005, 230, 231; öOGH, GRUR Int. 2008, 523, 525; vgl. auch Begründung zum Regie­rungs­entwurf des Geschmacks­mus­ter­re­form­ge­setzes, BT-Drucks. 15/1075, S. 52 zu § 38 GeschmMG). Der bereits vor Umsetzung der Richt­linie 98/71/EG durch das Geschmacks­mus­ter­re­form­gesetz anerkannte Grundsatz, dass der Schutz­umfang eines Geschmacks­musters von dessen Abstand zum vorbe­kannten Formen­schatz abhängt, gilt daher nach wie vor und ist auch für die Bestimmung des Schutz­um­fangs eines Gemein­schafts­ge­schmacks­musters nach Art. 10 Abs. 2 GGV maßgeblich (vgl. BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 Unter­setzer; BGH, Urteil vom 24. März 2011 I ZR 211/08, GRUR 2011, 1112 Rn. 32 = WRP 2011, 1621 Schreib­geräte; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2009, 16, 18; Koschtial, GRUR Int. 2003, 973, 977; D. Jestaedt, GRUR 2008, 19, 22; vgl. auch EuG, Urteil vom 18. März 2010 T 9/07, Slg. 2010, II-981 = GRUR Int. 2010, 602 Rn. 72 Grupo Promer/HABM). Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungs­ge­richt ausge­gangen und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das Klage­muster über einen weiten Schutz­umfang verfügt.

aa) Das Berufungs­ge­richt hat angenommen, dass das Klage­muster folgende prägende Merkmale aufweist:

  • ellip­tisch geformter Rahmen aus metal­lisch-hellen Stangen, dessen Ellip­senform nur im oberen Bereich durch eine horizontal verlau­fende metal­lisch­helle Stange begrenzt wird;
  • Appli­ka­tionen aus schwarzem Material an den Gelenk­stellen und am unteren Rand des Rahmens;
  • Griffe aus schwarzem Material, die die äußeren Streben des Rahmens fortsetzen und nach vorne zeigen;
  • horizontal verlau­fende Verbindung der Griffe mit einem schwarzen Versatz­stück um das sich in der Mitte befin­dende Gelenk herum;
  • Sitzfläche aus gespanntem Stoff, die den Rahmen ausfüllt und in den Rahmen einge­spannt ist;
  • hänge­mat­ten­artige Form der Sitzfläche, die einstufig in den Stoff einge­lassen ist;
  • zwei Räder im hinteren Bereich, die durch metal­lisch-helle Stangen pfeil­artig mit zwei im Abstand vonein­ander angeord­neten Rädern an der Spitze des Pfeil­seg­ments verbunden sind;
  • zwei metal­lisch-helle Stangen, die jeweils von den hinteren Rädern zu einem Verbin­dungs­stück unter der Sitzfläche führen, von dem aus ein weiteres Verbin­dungsrohr zur vorderen Spitze führt;
  • zwei metal­lisch-helle Stangen, die von dem Mittel­gelenk der Seiten­stangen gleich­falls zu dem Verbin­dungs­stück führen.

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist im Hinblick auf den vorbe­kannten Formen­schatz kein Vergleich der einzelnen das Klage­muster prägenden Elemente mit den einzelnen Merkmalen vorbe­kannter Modelle vorzu­nehmen, sondern jeweils der Gesamt­ein­druck des Klage­musters mit jedem Muster aus dem vorbe­kannten Formen­schatz zu vergleichen. Für die Frage, welchen Abstand das Klage­muster vom vorbe­kannten Formen­schatz einhält, kommt es nicht auf einen Vergleich einzelner Merkmale des Klage­musters mit einzelnen Merkmalen vorbe­kannter Muster an. Maßgeblich ist vielmehr der jeweilige Gesamt­ein­druck der sich gegen­über­ste­henden Muster, der darüber entscheidet, wie groß die Ähnlichkeit des Klage­musters mit dem vorbe­kannten Formen­schatz ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2010 I ZR 89/08, BGHZ 185, 224 R 33 Verlän­gerte Limou­sinen; BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 Unter­setzer; Ruhl, Gemein­schafts­ge­schmacks­muster, 2. Aufl., Art. 10 Rn. 4; Eichmann in Eichmann/v. Falcken­stein, Geschmacks­mus­ter­gesetz, 4. Aufl., § 38 Rn. 21). Diese Beurteilung hat das Berufungs­ge­richt seiner Prüfung zutreffend zugrunde gelegt.

Die ohnehin weitgehend auf tatrich­ter­lichem Gebiet liegende Beurteilung des Gesamt­ein­drucks der einzelnen Muster des vorbe­kannten Formen­schatzes durch das Berufungs­ge­richt lässt ebenfalls keinen Rechts­fehler erkennen.

(1) Das Berufungs­ge­richt hat angenommen, das Geschmacks­muster DM/061845 der H. GmbH & Co. KG verfüge ebenso wie das Klage­muster über Appli­ka­tionen aus schwarzem Material. Es weise aber keine ellip­tische Gestaltung des Rahmens auf; die Stangen des Rahmens liefen nur im unteren Bereich spitz zu. Auch die pfeil­artige Fahrwerk­kon­struktion des Klage­musters fehle, weshalb das Vergleichs­muster eher den Eindruck eines herkömm­lichen Kinder­wagens hervorrufe und im Gesamt­ein­druck deutlich vom Klage­muster abweiche.

Ohne Erfolg hält die Revision dem entgegen, der untere Teil des Musters DM/061845 sei ellip­sen­förmig ausge­staltet. Auch wenn die Rahmenstangen des Musters DM/061845 im unteren Teil gebogen oder wie die Revision geltend macht ellip­sen­förmig ausge­staltet sind, ist der Gesamt­ein­druck des in Rede stehenden Musters und des Klage­musters trotz der schwarzen Appli­kation deutlich verschieden.

(2) Das Berufungs­ge­richt ist auch zu Recht davon ausge­gangen, dass die weiteren Muster der H.  GmbH & Co. KG sich noch weiter vom Klage­muster unter­scheiden als das Muster DM/061845, weil das Muster DM/061834 nur ein Vorderrad aufweist und das Muster DM/061846 über eine vierrädrige Anordnung verfügt.

Nach den Feststel­lungen des Berufungs­ge­richts weisen das Modell „Gecko“ und die Patent­an­meldung WO 99/02389 einen deutlich anderen Gesamt­ein­druck als das Klage­muster auf. Die Ellip­senform sei bei den vorbe­kannten Modellen nicht geschnitten, weil eine horizontal verlau­fende Stange im oberen Bereich fehle. Die Fahrwerks­kon­struktion unter­scheide sich vom Klage­muster durch das klassische vierrädrige Fahrge­stell. Die Sitzfläche sei nicht in den Rahmen einge­spannt und im Zentrum der Ellipse finde sich eine Sitzschale.

Diese Beurteilung lässt keinen Rechts­fehler erkennen. Die Revision greift sie auch nicht an. Sie meint vielmehr, charak­te­ris­ti­sches Element des Modells „Gecko“ sei die Ellip­senform. Auf den von der Revision in diesem Zusam­menhang vorge­nom­menen Vergleich eines einzelnen Elements des Klage­musters mit einem Element des Modells „Gecko“ kommt es aber nicht an.

(3) Das Berufungs­ge­richt ist zutreffend davon ausge­gangen, dass die Gebrauchs­mus­ter­schrift DE 202 08 353 U 1 keinen Kinder­wagen, sondern nur ein Gestell zeigt, bei dem zwar die Radauf­hängung pfeil­förmig ausge­staltet ist, dem aber die für das Klage­muster charak­te­ris­tische Ellip­senform fehlt. Dagegen erinnert die Revision mit Ausnahme eines Hinweises auf Appli­ka­tionen aus Kunst­stoff am unteren Ende des Rahmens und an den Gelenk­stellen und die pfeil­artige Ausge­staltung der Stangen nichts. Die Appli­ka­tionen ändern aber nichts daran, dass das in der Gebrauchs­mus­ter­schrift wieder­ge­gebene Gestell und das Klage­muster sich deutlich unter­scheiden. Entspre­chendes gilt für die weitere Rüge der Revision. Die pfeil­artige Ausge­staltung der zwei Stangen hat das Berufungs­ge­richt berück­sichtigt. Die Anordnung doppelter Räder findet sich im Klage­muster nur vorne. Am unter­schied­lichen Gesamt­ein­druck ändern diese Merkmale nichts. Auf den von der Revision durch­ge­führten Vergleich einzelner Merkmale des Klage­musters und des in der Gebrauchs­mus­ter­schrift abgebil­deten Modells kommt es aus Rechts­gründen nicht an.

(4) Das Berufungs­ge­richt hat angenommen, dass die Abbil­dungen der US-Design-Patent­schriften 369 992 und 442 895 keines der charak­te­ris­ti­schen Merkmale des Klage­musters wieder­geben. Dagegen wendet sich die Revision nur insoweit, als sie geltend macht, die Patent­schrift 369 992 zeige eine hängende Sitzplatz­ge­staltung. Das trifft zwar zu, ändert aber an dem vom Berufungs­ge­richt angenom­menen Ergebnis nichts, nach dem der Rahmen des in der Patent­schrift wieder­ge­ge­benen Modells anders als beim Klage­muster von der Sitzbe­spannung verborgen wird.

(5) Das Berufungs­ge­richt hat angenommen, dass die Modelle der USDesign-Patent­schriften 5863061 und 399 458 gewisse Ähnlich­keiten mit dem Klage­muster im Hinblick auf die Griff­ge­staltung aufweisen, im Übrigen aber völlig anders gestaltet sind. Auch diese tatrich­ter­lichen Feststel­lungen des Berufungs­ge­richts sind aus Rechts­gründen nicht zu beanstanden. Daran ändert auch die Rüge der Revision nichts, das Berufungs­ge­richt habe bei den Abbil­dungen in den Patent­schriften die horizontal verlau­fende Verbindung der Griffe außer Acht gelassen. Die Revision zeigt schon nicht auf, dass die Beklagte in den Tatsa­chen­in­stanzen eine entspre­chende Überein­stimmung geltend gemacht hat. Im Übrigen ändert dieses Merkmal an dem Ergebnis der Beurteilung des Berufungs­ge­richts nichts. Entgegen der Ansicht der Revision bestehen bei dem in der Patent­schrift 399 458 wieder­ge­ge­benen Modell auch keine Überein­stim­mungen mit dem Klage­muster in der Sitzgestaltung.

(6) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungs­ge­richts, der Entwerfer von Kinder­wagen verfüge über einen großen Gestal­tungs­spielraum, weil er nur wenige Vorgaben beachten müsse. Auf den gegen­tei­ligen Vortrag der Beklagten in den Instanzen brauchte das Berufungs­ge­richt nicht weiter einzu­gehen. Er erschöpft sich in der allge­meinen Darstellung, bei Kinder­wagen seien zahlreiche technische und sicher­heits­re­le­vante Vorgaben zu berück­sich­tigen, ohne dass die Beklagte angeführt hat, dass und in welchem Umfang dadurch der Gestal­tungs­spielraum des Entwerfers eingeengt wird.

b) Das Berufungs­ge­richt hat angenommen, beim Modell „Fit“ der Beklagten seien die Merkmale (1) bis (7) des Klage­musters nahezu identisch übernommen worden. Der Rahmen weise die gleiche durch die obere Stange (Merkmal 4) geschnittene Ellip­senform (Merkmal 1) des Klage­musters auf. Ebenso finde sich die Form der geschnit­tenen Ellipse bei der Fahrwerk­ge­staltung (Merkmal 7) wieder. Der Rahmen werde ebenfalls durch zwei schwarze Griffe begrenzt, die nach vorne zeigten (Merkmal 3). Die Griffe würden beim Modell „Fit“ der Beklagten anders als beim Klage­muster nach oben hin breiter. Dies beein­flusse den Gesamt­ein­druck des Klage­musters aber nicht wesentlich. Das angegriffene Modell übernehme weiter die Merkmale (5) und (6) des Klage­musters. Der Stoff der Sitzbe­spannung sei in den Rahmen einge­spannt; bei beiden Mustern bleibe der Rahmen dadurch vollständig sichtbar. Die unter­schied­liche Spannung des Stoffs beim Klage­muster sei der Stoff straff gespannt und beim Modell „Fit“ der Beklagten eher locker gehalten präge den Gesamt­ein­druck weniger als der sichtbare Rahmen. Weniger bedeu­tungsvoll für den Gesamt­ein­druck seien die Unter­schiede zwischen dem Klage­muster und dem Modell der Beklagten bei der Stufen­ge­staltung. Das Klage­muster zeige nur eine Stufe, während das Modell „Fit“ eine weitere Stufe für die Füße aufweise. Die Merkmale (8) und (9) der Stütz­kon­struktion des Klage­musters fänden sich nicht in gleicher Weise beim angegrif­fenen Modell „Fit“. Die Unter­schiede seien indessen nicht geeignet, den Gesamt­ein­druck zu ändern. Der infor­mierte Benutzer werde die Stütz­kon­struktion als eher technisch bedingt ansehen. Bei dem Vergleich mit dem Klage­muster hätten beim angegrif­fenen Modell „Fit“ der Front­bügel, das Dach und die Aufbe­wah­rungs­tasche außer Betracht zu bleiben. Diese Teile würden bei der Auslie­ferung nur mitge­liefert. Sie müssten vom Benutzer des Kinder­wagens noch montiert werden. Es handele sich um Zubehör, das der infor­mierte Betrachter bei der Beurteilung des Gesamt­ein­drucks außer Betracht lasse. Die Übernahme des in Form einer geschnit­tenen Ellipse gestal­teten Rahmens und Fahrwerks sowie der einge­spannte Stoff, der den Rahmen sichtbar lasse, wirke sich auf den Gesamt­ein­druck besonders aus, weil sich das Klage­muster gerade durch diese Merkmale vom vorbe­kannten Formen­schatz abhebe.

Diese Ausfüh­rungen halten der revisi­ons­recht­lichen Nachprüfung stand. Das Berufungs­ge­richt hat den Gesamt­ein­druck des Klage­musters und des angegrif­fenen Musters rechts­feh­lerfrei bestimmt.

aa) Entgegen der Rüge der Revision sind die Merkmale (1) bis (7) des Klage­musters für dessen Gesamt­ein­druck ebenfalls prägend. Sie sind in ihrem Zusam­men­wirken nicht vorbe­kannt und dem infor­mierten Benutzer deshalb auch nicht geläufig (dazu Rn. 26 bis 36). Zu Recht ist das Berufungs­ge­richt davon ausge­gangen, dass diese Merkmale bestimmend für den Gesamt­ein­druck des Klage­musters sind und sich in nahezu identi­scher Form auch in dem angegrif­fenen Modell „Fit“ der Beklagten

bb) Die Revision rügt, das Berufungs­ge­richt sei bei seiner Beurteilung von einem falschen Maßstab ausge­gangen. Es hätte berück­sich­tigen müssen, dass der infor­mierte Benutzer bei teuren Erzeug­nissen und solchen, die äußerlich sichtbar benutzt werden und mit denen er ständig konfron­tiert werde, eine größere Aufmerk­samkeit walten lasse.

Auch mit diesem Vorbringen dringt die Revision nicht durch. Das Berufungs­ge­richt hat keine Feststel­lungen dazu getroffen, dass auf dem Produkt­sektor der Kinder­wagen der infor­mierte Benutzer ein gegenüber anderen Gegen­ständen gestei­gertes Interesse am Produkt­design hat. Das Berufungs­ge­richt hat in diesem Zusam­menhang auch keinen Vortrag der Beklagten übergangen. Der von der Revision in Bezug genommene Vortrag lässt keinen Rückschluss auf ein in diesem Sinn gestei­gertes Interesse des infor­mierten Benutzers am Produkt­design von Kinder­wagen zu, so dass vorliegend von den allge­meinen Maßstäben auszu­gehen ist, die für den Grad der Aufmerk­samkeit des infor­mierten Benutzers gelten (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 20. November  2011 C•281/10, GRUR Int. 2012, 43 Rn. 59 PepsiCo.).

cc) Die Revision macht vergeblich geltend, das Berufungs­ge­richt sei nur von den überein­stim­menden Merkmalen ausge­gangen und habe Gewicht und Umfang der Unter­schiede zu Unrecht außer Betracht gelassen. Es habe auch die Merkmale, die einen beson­deren Abstand zum Formen­schatz aufwiesen, nicht gewichtet. Das betreffe die Stütz­kon­struktion und die vordere Radaufhängung.

(1) Anders als die Revision meint, hat das Berufungs­ge­richt die überein­stim­menden Merkmale in ihrer Bedeutung für die Frage, ob das angegriffene Modell „Fit“ der Beklagten keinen anderen Gesamt­ein­druck hervorruft, näher gewichtet. In die Beurteilung hat das Berufungs­ge­richt auch die Unter­schiede zwischen den Mustern und die Bedeutung dieser Unter­schiede für die Frage einbe­zogen, ob dadurch ein vom Klage­muster abwei­chender Gesamt­ein­druck erweckt wird.

(2) Die Ausfüh­rungen, aufgrund deren das Berufungs­ge­richt angenommen hat, das angegriffene Muster der Beklagten rufe keinen anderen Gesamt­ein­druck als das Klage­muster hervor, halten auch im Übrigen der recht­lichen Nachprüfung stand.

Die Feststellung des überein­stim­menden Gesamt­ein­drucks der sich gegen­über­ste­henden Muster liegt im Wesent­lichen auf tatrich­ter­lichem Gebiet. In der Revisi­ons­in­stanz ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutref­fenden Rechts­be­griff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfah­rungs­sätze oder Denkge­setze verstoßen und keine wesent­lichen Umstände unberück­sichtigt gelassen hat.

Ohne Erfolg macht die Revision in diesem Zusam­menhang geltend, das Berufungs­ge­richt habe die Unter­schiede zwischen den Mustern nicht zutreffend erfasst. Der in der Form der geschnit­tenen Ellipse gestaltete Rahmen des Klage­musters sei nicht identisch übernommen. Der optische Eindruck der Ellipse werde beim angegrif­fenen Muster dadurch einge­schränkt, dass der Stoff mit der Fußstufe ende und dort die nach vorne gewölbte Kunst­stoff­ap­pli­kation beginne. Die Alumi­ni­um­stangen des Rahmens seien beim Verlet­zungs­muster nicht wie beim Klage­muster kreisrund, sondern oval gehalten. Die schwarzen Kunst­stoff­ap­pli­ka­tionen an den Gelenk­stangen und an der Spitze des Wagens hätten aufgrund ihrer Vorbe­kanntheit nur ein geringes Gewicht bei der Beurteilung des Gesamt­ein­drucks. Die Kunst­stoff­ap­pli­ka­tionen des angegrif­fenen Musters und des Klage­musters unter­schieden sich. Die Griff­ge­staltung sei üblich. Die horizontal verlau­fenden Streben mit dem Faltme­cha­nismus gehörten zum vorbe­kannten Formen­schatz. Die Gestaltung der Sitzflächen des Klage­musters und des angegrif­fenen Musters sei unter­schiedlich. Der verschie­denen Zahl der Stufen der Muster komme entgegen der Ansicht des Berufungs­ge­richts Bedeutung für den Gesamt­ein­druck zu. Die pfeil­förmige Gestaltung der unteren Streben gehöre zum vorbe­kannten Formen­schatz. Der unter­schied­lichen Ausformung der Muster unterhalb des Sitzes komme erheb­liches Gewicht für die Bestimmung des Gesamt­ein­drucks zu.

Mit dieser von der Beurteilung des Berufungs­ge­richts abwei­chenden Würdigung und Gewichtung einzelner Merkmale des Klage­musters und des angegrif­fenen Modells „Fit“ der Beklagten zeigt die Revision keinen Rechts­fehler des Berufungs­ge­richts auf. Sie setzt vielmehr in unzuläs­siger Weise ihre eigene Auffassung an die Stelle derje­nigen des Tatrichters.

(3) Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision dagegen, dass das Berufungs­ge­richt in die Beurteilung des Gesamt­ein­drucks des angegrif­fenen Musters nicht den Front­bügel, das Dach und die Aufbe­wah­rungs­tasche einbe­zogen hat. Das Berufungs­ge­richt ist zu Recht davon ausge­gangen, dass diese Teile Zubehör sind, dessen Montage im Belieben des Benutzers steht. Sie haben außer Betracht zu bleiben, wenn die Klägerin ein Verbot der Verlet­zungsform ohne die Zubehör­teile verfolgt, wie dies vorliegend der Fall ist. Entgegen der Ansicht der Revision verfehlt der Unter­las­sungs­antrag danach auch nicht die konkrete Verletzungsform.

c) Der Klägerin steht danach ein unions­weiter Unter­las­sungs­an­spruch zu. Dies folgt aus Art. 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 GGV, nach dem das Gemein­schafts­ge­schmacks­muster einheitlich ist und sich in den Wirkungen auf die gesamte Gemein­schaft erstreckt. Eine Verlet­zungs­handlung, die in einem Mitglied­staat begangen wird, begründet in der Regel eine Begehungs­gefahr für das gesamte Gebiet der Europäi­schen Union (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 56 Verlän­gerte Limou­sinen, mwN).

Das Berufungs­ge­richt ist zu Recht davon ausge­gangen, dass der Unter­las­sungs­an­spruch auch das Herstellen und Herstel­len­lassen des Modells „Fit“ der Beklagten umfasst. Nach Art. 19 Abs. 1 GGV gewährt das einge­tragene Gemein­schafts­ge­schmacks­muster seinem Inhaber das ausschließ­liche Recht, es durch Herstellung, Anbieten, Inver­kehr­bringen, Einfuhr oder Ausfuhr eines Erzeug­nisses zu benutzen.

Das Berufungs­ge­richt hat eine Begehungs­gefahr für ein Herstellen oder Herstel­len­lassen des angegrif­fenen Musters in dem Gebiet der Europäi­schen Union zwar nicht festge­stellt. Dies ist jedoch unschädlich, weil der Senat aufgrund des unstrei­tigen Partei­vor­bringens das Vorliegen einer Begehungs­gefahr bejahen kann.

Die Beklagte ist kein reines Handels­un­ter­nehmen, sondern selbst Herstel­lerin von Babyaus­stat­tungen. Sie hat zwar bestritten, die streit­be­fan­genen Erzeug­nisse selbst herzu­stellen oder in der Europäi­schen Union herstellen zu lassen. Dass sie die Erzeug­nisse außerhalb des Gebiets der Europäi­schen Union herstellen lässt, hat sie aber nicht in Abrede gestellt. Da die Frage des Produk­ti­ons­standorts oder einer Eigenoder Auftrags­fer­tigung bei einem produ­zie­renden Unter­nehmen in erster Linie eine Kosten­frage ist, die sich fortlaufend ändern kann, ist vorliegend auch von einer Begehungs­gefahr für ein Herstellen oder Herstel­len­lassen innerhalb der Europäi­schen Union durch die Klägerin auszugehen.

Das Berufungs­ge­richt hat zutreffend angenommen, dass auch das angegriffene Muster „Kiss“ das Klage­muster verletzt, weil es beim infor­mierten Benutzer keinen anderen Gesamt­ein­druck erweckt (Art. 10 Abs. 1 GGV). Nach den Feststel­lungen des Berufungs­ge­richts unter­scheidet sich das Modell „Kiss“ allein dadurch von dem Modell „Fit“, dass die beiden Vorder­räder etwas weiter ausein­an­der­stehen. Dieser Unter­schied recht­fertigt keine andere Beurteilung des mit dem Klage­muster überein­stim­menden Gesamt­ein­drucks als beim Modell „Fit“ der Beklagten. Insoweit gelten die vorste­henden Erwägungen entspre­chend (Rn. 23 bis 51).

Der Klägerin steht der begehrte Schadens­er­satz­an­spruch nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 42 Abs. 2 GeschmMG analog zu, soweit er auf im Inland began­genen Verlet­zungs­hand­lungen beruht. Entspre­chendes gilt für den Auskunftsund den Vernichtungsanspruch.

Die Beurteilung der Schadens­er­satz­an­sprüche der im Inland began­genen Verlet­zungen der Klage­muster richtet sich nach deutschem Recht.

Gemäß Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV bestimmen sich andere als die in Art. 89 Abs. 1 Buchst. a bis c GGV angeführten Anord­nungen im Falle einer bereits erfolgten oder drohenden Verletzung eines Gemein­schafts­ge­schmacks­musters nach der Rechts­ordnung des Mitglied­staats einschließlich seines Inter­na­tio­nalen Privat­rechts, in dem die Verlet­zungs­hand­lungen begangen sind oder drohen. Zu der Anordnung von Sanktionen nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV zählen Schadens­er­satz­an­sprüche. Aufgrund der Verweisung in Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV ist danach deutsches Inter­na­tio­nales Privat­recht für die Frage maßgeblich, welches Recht auf Schadens­er­satz­an­sprüche anzuwenden ist, die auf Verlet­zungs­hand­lungen beruhen, die in Deutschland begangen sind (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 59 Verlän­gerte Limousinen).

Nach dem Inkraft­treten der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außer­ver­trag­liche Schuld­ver­hält­nisse anzuwen­dende Recht (Rom-II-VO) am 11. Januar 2009 ist gemäß ihrem Art. 8 Abs. 2 bei außer­ver­trag­lichen Schuld­ver­hält­nissen aus einer Verletzung von gemein­schaftsweit einheit­lichen Rechten des geistigen Eigentums auf Fragen, die nicht unter den einschlä­gigen Rechtsakt der Gemein­schaft hier die Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ter­ver­ordnung fallen, das Recht des Staates anzuwenden, in dem die Verletzung begangen wurde. Maßgeblich für die in Deutschland began­genen Rechts­ver­let­zungen ist danach deutsches Recht.

Für den Zeitraum vor Inkraft­treten der Rom-II-VO gilt nichts anderes, weil sich die Ansprüche im Fall der Verletzung gewerb­licher Schutz­rechte auch zuvor nach dem Recht des Schutz­landes richteten, das heißt nach dem Recht desje­nigen Staates, für dessen Gebiet der Immate­ri­al­gü­ter­schutz in Anspruch genommen wird (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 I ZR 42/04, GRUR 2007, 691 Rn. 22 = WRP 2007, 996 Staatsgeschenk).

Die Klägerin kann dem Grunde nach in entspre­chender Anwendung des § 42 Abs. 2 GeschmMG Schadens­ersatz aufgrund von Rechts­ver­let­zungen, die im Inland begangen sind, beanspruchen (vgl. BGHZ 185, 224 Rn. 62 Verlän­gerte Limousinen).

Nach Ansicht des Berufungs­ge­richts hat die Beklagte die Klage­muster der Klägerin zumindest fahrlässig verletzt. Das lässt keinen Rechts­fehler erkennen.

Der Auskunftsund der Vernich­tungs­an­spruch nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d GGV in Verbindung mit § 43 Abs. 1 und § 46 Abs. 1 GeschmMG, § 242 BGB sind ebenfalls begründet, soweit sie auf Verlet­zungs­hand­lungen bezogen sind, die im Inland begangen sind. Insoweit gelten die vorste­henden Erwägungen zum Schadens­er­satz­an­spruch entspre­chend (Rn. 54 bis 59).

Ein Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen an den Gerichtshof der Europäi­schen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, weil sich im Streitfall keine entschei­dungs­er­heb­lichen Rechts­fragen zur Auslegung des Unions­rechts stellen, die eine Vorlage erfordern. Die Gesamt­wür­digung und Gewichtung der relevanten Umstände im konkreten Einzelfall ist Sache der natio­nalen Gerichte (EuGH, Urteil vom 16. November 2004 C•245/02, Slg. 2004, I•10989 = GRUR 2005, 153 Rn. 84 Anheuser Busch).

Die Kosten­ent­scheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.