Die Zuläs­sigkeit kriti­scher Äußerungen eines Mitbewerbers

Das Branden­bur­gi­sches Oberlan­des­ge­richt hat am 13. Dezember 2016 im Rahmen einer Berufung (6 U 76/15) über die Zuläs­sigkeit eines wettbe­werb­licher Unter­las­sungs­an­spruch (§§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 2 UWG) entschieden, wenn dieser sich gegen eine kritische Äußerungen eines Wettbe­werbers richtet und diese Äußerungen aus konkretem Anlass in sachlicher Weise erfolgt und der Vertei­digung von recht­lichen Inter­essen des Äußernden im Vorfeld eines Rechts­streits dient.

Tenor

 

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 07.07.2015 verkündete Urteil der Kammer für Handels­sachen des Landge­richts Cottbus — 11 O 153/14 — abgeändert.

  • Die Klage wird abgewiesen.
  • Die Kosten des Rechts­streits in beiden Instanzen hat der Kläger zu tragen.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Dem Kläger wird gestattet die Vollstre­ckung des Beklagten wegen der Kosten durch Sicher­heits­leistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreck­baren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstre­ckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizu­trei­benden Betrages leistet.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unter­lassung von Äußerungen, die er als geschäfts­schä­digend erachtet, nach den Vorschriften des UWG in Anspruch.

Der Kläger ist bauvor­la­gen­be­rech­tigter Ingenieur und bietet mit seinem Büro in … Planungs­leis­tungen im Bereich des Bauhand­werks an. Seine Ehefrau ist im Bauamt der Stadt … angestellt und dort zumindest auch mit der Vergabe von Förder­mitteln befasst. Der Beklagte betreibt in … ein Architektenbüro.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unter­lassung in Anspruch ausgehend von Äußerungen, die dieser in einem Schreiben vom 20.08.2014 an die kommunale Wohnungs­bau­ge­sell­schaft der Stadt …, die Wohn- und Bauge­sell­schaft … mbH, getätigt und welches er zugleich mehreren Amtsin­habern der Stadt … zugeleitet hat.

 (Wegen der Einzel­heiten des Schreibens wird auf Anl. K 1 Bezug genommen.)

Wegen des weiteren erstin­stanz­lichen Sach- und Streit­standes und der gestellten Anträge wird auf die tatsäch­lichen Feststel­lungen in dem angefoch­tenen Urteil verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landge­richt hat den Beklagten (sinngemäß) verur­teilt, es zu unter­lassen, zu Zwecken des Wettbe­werbs zu behaupten, dass die Frau des Klägers entgegen § 16 Abs. 2 Verga­be­ver­ordnung bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG rechts­widrig an öffent­lichen Verga­be­ver­fahren mitwirkt, an denen das Planungsbüro des Klägers beteiligt ist.

Zur Begründung hat es ausge­führt, dem Kläger stehe der geltend gemachte Unter­las­sungs­an­spruch zu nach §§ 2, 3, 8 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 UWG, denn der Beklagte habe in dem als geschäft­liche Handlung i.S.d. Vorschriften des UWG zu wertenden Schreiben vom 20.08.2014 Tatsachen verbreitet, die geeignet seien, den Betrieb des Klägers zu schädigen. Die Äußerungen des Beklagten seien im Gesamt­kontext, auch in Zusam­menhang mit dem Schreiben dessen Prozess­be­voll­mäch­tigten vom 10.09.2014 (Anl. K 2) zu bewerten. Danach stehe die — unwahre — Tatsa­chen­be­hauptung im Raume, der Kläger erlange in rechts­wid­riger Weise Vorteile durch die Arbeit seiner Ehefrau im Bauamt der Stadt … durch die Bearbeitung von Förder­mit­tel­an­trägen des Klägers.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 21.07.2015 zugestellte Urteil mit am selben Tag einge­gan­genem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 21.09.2015 einge­gan­genem Schriftsatz begründet.

Der Beklagte vertritt weiter die Ansicht, die Klage sei unschlüssig, da die aus dem Tenor des angefoch­tenen Urteils ersicht­liche Äußerung von ihm niemals getätigt worden sei. Rechts­irrig habe das Landge­richt angenommen, sein, des Beklagten Schreiben vom 20.08.2014 sei mit diesem Ergebnis auszu­legen. Das Schreiben seines Prozess­be­voll­mäch­tigten vom 10.09.2014 dürfe zum Zwecke der Auslegung des Schreibens vom 20.08.2014 nicht heran­ge­zogen werden, weil es der Wahrnehmung eigener berech­tigter Inter­essen i.S.d. § 193 StGB bzw. zur Vertei­digung von Rechten des Beklagten gedient habe. Rechts­feh­lerhaft habe das Landge­richt nicht zwischen Tatsa­chen­be­haup­tungen und Wertur­teilen diffe­ren­ziert und auch letztere dem Anwen­dungs­be­reich des § 4 Nr. 8 UWG unter­stellt. Schließlich fehle es auch an einem direkten Wettbe­werbs­ver­hältnis zwischen dem Kläger als bauvor­la­gen­be­rech­tigtem Ingenieur und dem Beklagten als Architekt.

Der Beklagte beantragt,

in Abänderung des angefoch­tenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landge­richt­liche Urteil. Richti­ger­weise habe das Landge­richt eine Bewertung des Schreibens vom 20.08.2014 im Zusam­menhang auch mit dem anwalt­lichen Schriftsatz vom 10.09.2014 vorge­nommen und beide Schreiben nach dem objek­tiven Empfän­ger­ho­rizont ausgelegt. Danach ergebe sich die inkri­mi­nierte Äußerung.

Zu Recht sei das Landge­richt auch davon ausge­gangen, dass die Parteien in einem Wettbe­werbs­ver­hältnis stünden und der Beklagte mit Versendung seines Schreibens zum Zwecke des Wettbe­werbs tätig geworden sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streit­standes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewech­selten Schrift­sätze Bezug genommen.

Die nach §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte wettbe­werbs­recht­liche Unter­las­sungs­an­spruch nicht zu. Insbe­sondere hat der Kläger keinen Anspruch auf Unter­lassung der inkri­mi­nierten Äußerung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 i.V. m. § 4 Nr. 8 UWG (in der bis zum 10.12.2015 geltenden Fassung) bzw. § 4 Nr. 2 UWG (in der Fassung des Gesetzes vom 02.12.2015 — BGBl. I S. 2158 — gültig ab 10.12.2015).

Ein Unter­las­sungs­an­spruch besteht nicht, weil der Kläger die zu unter­sa­gende Äußerung nicht getätigt hat. Die tatsächlich getätigten Äußerungen wären zudem nicht wettbewerbswidrig.

1) Die Klage ist bereits unschlüssig. Der Kläger begeht die Unter­sagung einer Äußerung, die der Beklagte so wörtlich nicht getätigt hat, wie der Kläger auch noch nicht einmal behauptet hat. Die inkri­mi­nierte Äußerung, die Ehefrau der Klägers wirke entgegen § 16 Abs. 2 Verga­be­ver­ordnung bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG rechts­widrig an öffent­lichen Verga­be­ver­fahren mit, an denen das Planungsbüro des Klägers beteiligt sei, ist in dem Schreiben des Beklagten vom 20.08.2014 nicht enthalten.

2) Soweit der Antrag des Klägers so zu verstehen sein könnte, dass der Beklagte zu verur­teilen sei, es zu unter­lassen, sinngemäß zu behaupten, die Frau der Klägers wirke entgegen § 16 Abs. 2 Verga­be­ver­ordnung bzw. § 20 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG rechts­widrig an öffent­lichen Verga­be­ver­fahren mit, an denen das Planungsbüro des Klägers beteiligt sei, wie geschehen im Schreiben vom 20.08.2014, ist die Klage ebenfalls unbegründet. Auch insoweit besteht kein Anspruch auf Unter­lassung nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 UWG a.F. (§ 4 Nr. 2 UWG n. F.) bzw. § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.), unter­stellt zugunsten des Klägers, zwischen den Parteien bestehe ein Wettbe­werbs­ver­hältnis und das Schreiben vom 20.08.14 sei zu Zwecken des Wettbe­werbs versandt worden.

2.1). Das Schreiben vom 20.08.2014 enthält eine Reihe von Tatsa­chen­be­haup­tungen, die wahr bzw. unstreitig sind und deshalb dem Anwen­dungs­be­reich des § 4 Nr. 8 UWG a.F. (§ 4 Nr. 2 UWG n.F.) von vorne­herein nicht unter­fallen. Dazu zählen u.a. die Aussagen, der Kläger betreibe kein Archi­tek­turbüro, seine Ehefrau sei im Bauamt tätig und dort für die Vergabe von Förder­mitteln zuständig und der Kläger habe an mehreren näher bezeich­neten Bauvor­haben der Wohn- und Bauge­sell­schaft … mbH mitge­wirkt. § 4 Nr. 8 UWG a.F. (§ 4 Nr. 2 UWG n.F.) bezweckt allein den Schutz des Mitbe­werbers vor unwahren geschäfts­schä­di­genden Tatsa­chen­be­haup­tungen (Anschwärzung). Deshalb unter­liegen auch die weiteren vom Kläger inkri­mi­nierten Inhalte des Schreibens, die recht­liche Wertungen bzw. Meinungs­äu­ße­rungen darstellen — etwa die Vermutung, das Verwandt­schafts­ver­hältnis könne den Bedin­gungen der ILB-Förder­mit­tel­be­scheide zuwider­laufen oder der Zusatz „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“, nicht der Lauter­keits­be­ur­teilung des vom Kläger allein angeführten Tatbe­standes des § 4 Nr. 8 UWG a.F.(§ 4 Nr. 2 UWG n.F.)

2.2). Die inkri­mi­nierten Äußerungen des Beklagten sind aber auch nach dem Maßstab des § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.) nicht als unlautere Herab­setzung bzw. Verun­glimpfung zu bewerten. Dies gilt sowohl hinsichtlich der in dem Schreiben vom 20.08.2014 enthal­tenen Tatsachen, wie auch der Meinungs­äu­ße­rungen bzw. recht­lichen Wertungen.

4 Nr. 1 UWG n.F. dient dem Schutz des Mitbe­werbers vor einer Beein­träch­tigung seiner Wettbe­werbs­in­ter­essen und des Allge­mein­in­ter­esses am unver­fälschten Wettbewerb (Köhler/Bornkamm a.a.O., § 4 Rn 1.2). Wahre, aller­dings zugleich geschäfts­schä­di­gende Tatsachen, sind deshalb nach § 4 Nr. 1 UWG n.F. ( § 4 Nr. 7 UWG a.F.) nur dann zulässig, wenn ein sachlich berech­tigtes Infor­ma­ti­ons­in­teresse der angespro­chenen Verkehrs­kreise besteht, der Bewerber hinrei­chenden Anlass hat, den eigenen Wettbewerb mit der Herab­setzung des Mitbe­werbers zu verbinden und sich die Kritik nach Art und Maß im Rahmen des Erfor­der­lichen hält (Köhler/Bornkamm, 34. Aufl. 2016, § 4 Rn. 1.16). Ob den inkri­mi­nierten Äußerungen tatsächlich herab­set­zende Wirkung zukommt, kann dahin­stehen, denn jeden­falls wären die oben darge­stellten, wahren Tatsa­chen­be­haup­tungen nach diesen Maßgaben zulässig. Der Beklagte verfolgte mit seinem Schreiben die Intention, die maßge­benden Entschei­dungs­träger auf eine verga­be­rechtlich proble­ma­tische Praxis in einem Bereich, der für seine eigene Berufs­tä­tigkeit relevant ist, aufmerksam zu machen.

Auch soweit das Schreiben Meinungs­äu­ße­rungen und recht­liche Wertungen enthält, besteht keine Unlau­terkeit nach § 4 Nr. 7 UWG a.F. (§ 4 Nr. 1 UWG n.F.). Die inkri­mi­nierten Äußerungen im Schreiben vom 20.08.2014 enthalten weder Formal­be­lei­di­gungen noch in unange­mes­sener Weise abfällige, unsach­liche oder abwer­tende Schmäh­kritik; sie sind auch nicht geeignet, die Menschen­würde zu verletzen. Es ergibt sich auch keine lauter­keits­recht­liche Unzuläs­sigkeit aufgrund einer Gesamt­wür­digung aller Umstände des Einzel­falles unter Abwägung der betei­ligten Inter­essen, insbe­sondere der Belange beider Betei­ligten und der Allge­meinheit, des Schutzes des Geschäftsrufs des Klägers sowie des Bedeu­tungs­ge­halts der Meinungs­freiheit und des Grund­satzes der Verhält­nis­mä­ßigkeit (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.05.2011 — I ZR 147/09 — Coaching Newsletter, GRUR 2012, 74 Rn 31, 33 zit. nach juris). Vielmehr steht die geäußerte Kritik in Zusam­menhang mit der von dem Beklagten angegrif­fenen Verga­be­praxis der Stadt …, durch die er sich benach­teiligt fühlt. Thema­ti­siert wird die beruf­liche Verqui­ckung der Eheleute, die der Gesetz­geber im öffent­lichen Verga­be­wesen als proble­ma­tisch ansieht und der er mit einschrän­kenden Vorschriften entgegen wirkt (§ 16 Abs. 2 VgV i.d.F. bis 11.04.2016 bzw. § 6 Abs. 4 VgV i.d.F. ab 12.04.2016). Es handelt sich mithin um sachliche Kritik, für die ein konkreter Anlass bestand.

3). Zu Recht macht der Beklagte geltend, dass das Schreiben seines Prozess­be­voll­mäch­tigten vom 10.09.2014 nicht heran­ge­zogen werden könne, um die Unter­las­sungs­begehr des Klägers zu stützen. Dieses Schreiben ist im Vorfeld eines gericht­lichen Verfahrens gefertigt worden, es stellt das Antwort­schreiben auf ein anwalt­liches Schreiben des Klägers dar, mit dem dieser den Beklagten zur Unter­lassung von Äußerungen und Erstattung von Aufwen­dungen aufge­fordert hat. Nach ständiger Recht­spre­chung des Bundes­ge­richtshofs können ehrkrän­kende Äußerungen, die der Rechts­ver­folgung oder ‑vertei­digung in einem Gerichts­ver­fahren oder dessen konkreter Vorbe­reitung dienen, grund­sätzlich nicht mit Ehren­schutz- oder Unter­las­sungs­klagen abgewehrt werden. Das sogenannte Ausgangs­ver­fahren soll nicht durch die Beschneidung der Äußerungs­freiheit der daran Betei­ligten beein­trächtigt werden. Vielmehr sollen die Parteien in einem Gerichts­ver­fahren sowie außer­ge­richt­lichen Schreiben, die dessen konkreter Vorbe­reitung dienen, alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihre Rechte für erfor­derlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt werden sollte (BGH Urt. v. 28.02.2012 — VI ZR 79/11, MDR 2012, 518 Rn 7, zit. nach juris; Urt. v. 11.12.2007 — VI ZR 14/07, NJW 2008, 998 Rn 12, zit. nach juris; OLG Celle Urt. v. 19.04.2012 — 13 U 235/11, NJW-RR 2012, 1189 Rn 4, zit. nach juris ). Ausnahmen können lediglich bestehen bei wissentlich unwahren oder leicht­fertig unhalt­baren bzw. bewusst unwahren oder auf der Hand liegenden falschen Tatsa­chen­be­haup­tungen sowie — im Falle von Meinungs­äu­ße­rungen — bei sog. Schmäh­kritik (BVerfG, B. v.15.12.2008 — 1 BvR 1404/04 Rn 18, zit. nach juris; B. v. 25.09.2006 — 1 BvR 1898/03, zit. nach juris; BGH, Urt. v. 11.12.2007 a.a.O). Diese Ausnahmen sind vorliegend nicht gegeben. Das anwalt­liche Schreiben vom 10.09.2014 wiederholt im Wesent­lichen die bereits im Schreiben vom 20.08.2014 enthal­tenen Tatsachen in Bezug auf die Beauf­tragung des Klägers durch die Wohn- und Bauge­sell­schaft … mbH und die Tätigkeit dessen Ehefrau im Bauamt der Stadt … und stellt die zu dem maßgeb­lichen Zeitpunkt geltende Rechtslage nach § 16 VgV bzw. § 20 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG dar. Eine konkrete Einfluss­nahme des Verwandt­schafts­ver­hält­nisses auf die Auftrags­vergabe wird dabei ausdrücklich nicht unterstellt.

III.

Die Kosten­ent­scheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläu­figen Vollstreck­barkeit gründet sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraus­set­zungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Entscheidung beruht auf den Umständen des Einzelfalles.