EUG: Marke „Fack Ju Göhte“ nicht eintragungsfähig

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

In der Rechts­sache T‑69/17

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Fünften Beschwer­de­kammer des EUIPO vom 1. Dezember 2016 (Sache R 2205/2015‑5) über die Anmeldung des Wortzei­chens Fack Ju Göhte als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2017

folgendes

Urteil

 Vorge­schichte des Rechtsstreits

Am 21. April 2015 meldete die Klägerin, die Constantin Film Produktion GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unions­marke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäi­schen Parla­ments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unions­marke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäi­schen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unions­marke an.

Bei der angemel­deten Marke handelt es sich um das Wortzeichen Fack Ju Göhte; dies ist außerdem der Titel einer von der Klägerin produ­zierten deutschen Filmko­mödie, die in Deutschland zu den größten Kinoer­folgen des Jahres 2013 zählt. Im Übrigen wurde von der Klägerin eine Fortsetzung des Films produ­ziert, die 2015 in den Kinos anlief.

Die Marke wurde für folgende Waren und Dienst­leis­tungen der Klassen 3, 9, 14, 16, 18, 21, 25, 28, 30, 32, 33, 38 und 41 des Abkommens von Nizza über die inter­na­tionale Klassi­fi­kation von Waren und Dienst­leis­tungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

  • Klasse 3: „Wasch- und Bleich­mittel; Putz‑, Polier‑, Fettent­fer­nungs- und Schleif­mittel; Seifen; Parfü­me­rie­waren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schön­heits­pflege, Haarwässer; Zahnputzmittel“;
  • Klasse 9: „Bespielte Daten­träger aller Art; elektro­nische Publi­ka­tionen (herun­ter­ladbar), nämlich Audio‑, Video‑, Text‑, Bild- und Grafik­daten im digitalen Format; fotogra­fische, Film- und Unter­richts­ap­parate und ‑instru­mente; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Daten­ver­ar­bei­tungs­geräte und Computer sowie Teile von diesen; Software“;
  • Klasse 14: „Juwelier­waren, Schmuck­waren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente“;
  • Klasse 16: „Drucke­rei­er­zeug­nisse; Fotografien; Schreib­waren; Büroar­tikel (ausge­nommen Möbel); Lehr- und Unter­richts­mittel (ausge­nommen Apparate)“;
  • Klasse 18: „Reise- und Handkoffer; Regen­schirme und Sonnen­schirme; Spazier­stöcke; Gepäck; Gepäck­an­hänger; Taschen; Brief­ta­schen und andere Tragebehältnisse“;
  • Klasse 21: „Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Kerzenständer“;
  • Klasse 25: „Beklei­dungs­stücke, Schuh­waren, Kopfbedeckungen“;
  • Klasse 28: „Spiele, Spielzeug; Turn- und Sport­ar­tikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck“;
  • Klasse 30: „Kaffee, Tee, Kakao und Kaffee-Ersatz­mittel; Reis, Tapioka und Sago; Mehle und Getrei­de­prä­parate, Brot, feine Backwaren und Kondi­tor­waren; Speiseeis; Zucker, Honig, Melas­se­sirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze; Kühleis“;
  • Klasse 32: „Biere; Mineral­wässer und kohlen­säu­re­haltige Wässer und andere alkohol­freie Getränke; Frucht­ge­tränke und Frucht­säfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“;
  • Klasse 33: „Alkoho­lische Getränke (ausge­nommen Biere)“;
  • Klasse 38: „Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­tungen; Bereit­stellung von Inter­net­chat­rooms und Inter­net­foren; Übermittlung von Daten über das Internet, insbe­sondere von Audio‑, Video‑, Text‑, Bild- und Grafik­daten im digitalen Format, einschließlich Video-on-Demand“;
  • Klasse 41: „Erziehung; Ausbildung; Unter­haltung, insbe­sondere Film- und Fernseh­un­ter­haltung, Zusam­men­stellung von Rundfunk- und Fernseh­pro­grammen, Rundfunk‑, Fernseh- und Filmpro­duktion, Vermietung von Filmen, Filmvor­füh­rungen in Kinos; sport­liche und kultu­relle Aktivitäten“.

Mit Entscheidung vom 25. September 2015 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 2017/1001) in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) für die oben in Rn. 3 genannten Waren und Dienst­leis­tungen zurück.

Am 5. November 2015 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfers nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) beim EUIPO Beschwerde ein.

Mit Entscheidung vom 1. Dezember 2016 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Fünfte Beschwer­de­kammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Insbe­sondere war sie in Bezug auf die Bestimmung der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise der Auffassung, dass dabei auf die Wahrnehmung der deutsch­spra­chigen Verbraucher innerhalb der Europäi­schen Union, nämlich dieje­nigen in Deutschland und Öster­reich, abzustellen sei. Außerdem richteten sich die in Rede stehenden Waren und Dienst­leis­tungen zwar an den Allge­mein­ver­braucher, manche aber richteten sich an Kinder und Jugend­liche. Die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise nähmen die Aussprache des Wortbe­stand­teils „Fack Ju“ so wahr, als sei er identisch mit dem engli­schen Ausdruck „fuck you“, so dass er dieselbe Bedeutung habe. Weiter stellte die Beschwer­de­kammer fest, dass der Ausdruck „fuck you“, selbst wenn die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise ihm keine sexuelle Bedeutung beimäßen, nicht nur eine geschmacklose, sondern auch eine anstößige und vulgäre Belei­digung darstelle. Der ergän­zende Bestandteil „Göhte“, mit dem ein hochan­ge­se­hener Schrift­steller wie Johann Wolfgang von Goethe posthum in herab­wür­di­gender und vulgärer Weise verun­glimpft werde, noch dazu in fehler­hafter Recht­schreibung, könne vom verlet­zenden und gegen die guten Sitten versto­ßenden Charakter der Beschimpfung „Fack Ju/fuck you“ keines­falls ablenken. Zudem eröffne die Bezug­nahme auf Johann Wolfgang von Goethe mögli­cher­weise sogar eine weitere Ebene des Sitten­ver­stoßes. Daraus, dass der Titel eines Films, der ein breiter Publi­kums­erfolg gewesen sei, identisch mit der Marken­an­meldung sei, dürfe nicht geschlossen werden, dass die relevanten Verkehrs­kreise keinen Anstoß an der angemel­deten Marke nähmen. Obwohl schließlich bei der Bewertung einer Marken­an­meldung auf ihre Verbrau­cher­wahr­nehmung im Zeitpunkt der Anmeldung abzustellen sei, gelte für das Eintra­gungs­hin­dernis nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 doch, dass es nicht gemäß Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001) aufgrund des Nachweises der Verkehrs­durch­setzung überwunden werden könne.

 Anträge der Parteien

Die Klägerin beantragt nach teilweiser Klagerücknahme,

  • die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
  • dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Das EUIPO beantragt,

  • die Klage abzuweisen;
  • der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Recht­liche Würdigung

Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klage­gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001) rügt.

 Zum ersten Klage­grund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009

Die Klägerin macht geltend, dass weder das Anmel­de­zeichen als Ganzes noch dessen einzelne Elemente vulgär, anstößig oder belei­digend seien. Daher habe die Beschwer­de­kammer das Zeichen falsch aufge­fasst und sei unzutreffend davon ausge­gangen, dass es gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung ausge­schlossen sei.

Insoweit ist festzu­stellen, dass gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 Marken, die gegen die öffent­liche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, von der Eintragung ausge­schlossen sind. Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung finden die Vorschriften des Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintra­gungs­hin­der­nisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Ein solcher Teil kann gegebe­nen­falls aus einem einzigen Mitglied­staat bestehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 20. September 2011, Couture Tech/HABM [Darstellung des sowje­ti­schen Staats­wappens], T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Das dem absoluten Eintra­gungs­hin­dernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 zugrunde liegende Allge­mein­in­teresse besteht nach der Recht­spre­chung darin, die Eintragung von Zeichen zu verhindern, deren Benutzung im Gebiet der Union gegen die öffent­liche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen würde (Urteil vom 20. September 2011, Darstellung des sowje­ti­schen Staats­wappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 29).

Die Prüfung, ob ein Zeichen gegen die öffent­liche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstößt, muss im Hinblick auf die Wahrnehmung dieses Zeichens bei seiner Benutzung als Marke durch die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise in der Union oder in einem Teil derselben vorge­nommen werden (Urteile vom 20. September 2011, Darstellung des sowje­ti­schen Staats­wappens, T‑232/10, EU:T:2011:498, Rn. 50, und vom 9. März 2012, Cortés del Valle López/HABM, [¡Que buenu ye! HIJOPUTA], T‑417/10, nicht veröf­fent­licht, EU:T:2012:120, Rn. 12).

Erstens steht fest, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienst­leis­tungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt. Folglich setzen sich die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise, wie die Beschwer­de­kammer bei der Verwendung des Begriffs „allge­meiner Verbraucher“ zutreffend angenommen und das EUIPO in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, aus der breiten Öffent­lichkeit zusammen; der Grad der Aufmerk­samkeit der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise sei der eines normal infor­mierten, angemessen aufmerk­samen und verstän­digen Durchschnittsverbrauchers.

Die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise können für die Prüfung des in Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorge­se­henen Eintra­gungs­hin­der­nisses jedoch nicht auf das Publikum begrenzt werden, an das sich die Waren und Dienst­leis­tungen, auf die sich die Anmeldung bezieht, unmit­telbar richten. Es ist nämlich zu berück­sich­tigen, dass das von diesem Eintra­gungs­hin­dernis erfasste Zeichen nicht nur bei den Verkehrs­kreisen, an die sich die mit dem Zeichen gekenn­zeich­neten Waren und Dienst­leis­tungen richten, sondern auch bei anderen Personen Anstoß erregen wird, die dem Zeichen, ohne an den genannten Waren und Dienst­leis­tungen inter­es­siert zu sein, im Alltag zufällig begegnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI Logistics/HABM [PAKI], T‑526/09, nicht veröf­fent­licht, EU:T:2011:564, Rn. 18).

Zweitens ist daran zu erinnern, dass der Durch­schnitts­ver­braucher, auch wenn er eine Marke regel­mäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschie­denen Einzel­heiten achtet, gleichwohl ein von ihm wahrge­nom­menes Wortzeichen in die Wortbe­stand­teile aufteilen wird, die ihm eine konkrete Bedeutung vermitteln oder die ihm bekannten Wörtern ähnlich sind (vgl. Urteil vom 8. Juli 2015, Deutsche Rockwool Mineralwoll/HABM – Redrock Construction [REDROCK], T‑548/12, EU:T:2015:478, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

In der vorlie­genden Rechts­sache wird der durch­schnitt­liche Verbraucher feststellen, dass das angemeldete Zeichen dem häufig verwen­deten und weit verbrei­teten engli­schen Ausdruck „fuck you“ ähnlich ist, dem die Klägerin den Bestandteil „Göhte“ hinzu­gefügt hat, der dem Famili­en­namen des Schrift­stellers und Dichters Johann Wolfgang von Goethe ähnlich ist. Da es sich aber zum einen bei dem angemel­deten Zeichen um eine lautschrift­liche Übertragung des dem deutsch­spra­chigen Publikum allgemein bekannten engli­schen Ausdrucks „fuck you“ ins Deutsche handelt, und zum anderen Johann Wolfgang von Goethe ein in Deutschland und Öster­reich sehr geschätzter Dichter und Schrift­steller ist, ist die Beurteilung der Beschwer­de­kammer zu bestä­tigen, wonach die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise aus deutsch­spra­chigen Verbrau­chern in der Union, und zwar denje­nigen in Deutschland und in Öster­reich, bestehen.

Drittens ist in Bezug auf die Wahrnehmung des angemel­deten Zeichens durch die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise oben in Rn. 17 darauf hinge­wiesen worden, dass das Publikum das Zeichen mit dem engli­schen Ausdruck „fuck you“, verbunden mit dem Famili­en­namen Goethe – das Ganze in fehler­hafter Recht­schreibung –, gleich­setzen werde. Der Begriff „fuck“ wird sowohl als Nomen, als auch als Adjektiv, Adverb und Inter­jektion verwendet, und wie bei den meisten gebräuch­lichen Wörtern entwi­ckelt sich sein Sinn im Laufe der Jahre und hängt vom Zusam­menhang ab, in dem er verwendet wird. Wenn dem engli­schen Ausdruck „fuck you“ in seiner ureigenen Bedeutung also eine sexuelle Bedeutung beizu­messen und er von Vulga­rität geprägt ist, so wird er doch auch, wie von der Beschwer­de­kammer übrigens in Betracht gezogen wurde, in einem anderen Zusam­menhang verwendet, um Wut, Enttäu­schung oder Missachtung gegenüber einem anderen zum Ausdruck zu bringen. Aber selbst in einem solchen Fall bleibt dieser Ausdruck durch eine ihm innewoh­nende Vulga­rität geprägt und der am Ende des in Rede stehenden Zeichens hinzu­ge­fügte Bestandteil „Göhte“ ermög­licht zwar eine Bestimmung des „Adres­saten“ der Wörter am Anfang des Zeichens, ist aber nicht geeignet, die Vulga­rität abzumildern.

Im Übrigen ist festzu­stellen, dass entgegen den Ausfüh­rungen der Klägerin in ihrer Klage­schrift und in der mündlichen Verhandlung der Umstand, dass der Film „Fack Ju Göhte“ seit seinem Kinostart von mehreren Millionen Menschen gesehen wurde, nicht bedeutet, dass die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise nicht von dem angemel­deten Zeichen schockiert wären.

Demnach ist die Beschwer­de­kammer zu Recht davon ausge­gangen, dass der englische Ausdruck „fuck you“ und somit das angemeldete Zeichen insgesamt natur­gemäß vulgär sind und die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise daran Anstoß nehmen könnten. Somit hat sie hieraus zutreffend geschlossen, dass das angemeldete Zeichen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung auszu­schließen sei.

Das übrige Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellten.

Erstens macht sie geltend, dass die Voraus­setzung des Verstoßes gegen die öffent­liche Ordnung getrennt von der Voraus­setzung des Verstoßes gegen die guten Sitten hätte geprüft werden müssen, da es sich um zwei unter­schied­lichen Begriffe handele. Die angefochtene Entscheidung sei rechtlich unzurei­chend begründet, da sie weder die Rechts­vor­schriften noch die Rechts­grund­sätze darlege, gegen die durch das Anmel­de­zeichen verstoßen werde, um die Ablehnung der Eintragung des Zeichens wegen eines Verstoßes gegen die öffent­liche Ordnung zu rechtfertigen.

Insoweit ist darauf hinzu­weisen, dass die Beschwer­de­kammer nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 nicht verpflichtet ist, den etwaigen Verstoß der angemel­deten Zeichen gegen die öffent­liche Ordnung und gegen die guten Sitten getrennt zu prüfen, und aufgrund dessen in der Begründung auch nicht angeben muss, um welchen der beiden Fälle es sich konkret handelt. Überdies ergibt sich eine solche Verpflichtung entgegen den Ausfüh­rungen der Klägerin auch nicht aus den Prüfungs­richt­linien des EUIPO. Vielmehr geht, wie die Klägerin selbst einräumt, aus den allge­meinen Bemer­kungen zu Teil B Abschnitt 4 Kapitel 7 dieser Richt­linien hervor, dass es sich bei der öffent­lichen Ordnung und den guten Sitten um zwei verschiedene Begriffe handelt, die sich jedoch häufig überschneiden. Unter diesen Umständen geht die vorlie­gende Rüge ins Leere und ist zurückzuweisen.

Eine solche Rüge ist außerdem auch unbegründet, da aus der angefoch­tenen Entscheidung hervorgeht, dass sich die Beschwer­de­kammer zwar sowohl auf die öffent­liche Ordnung als auch auf die guten Sitten stützt, wenn sie auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 Bezug nimmt. In Rn. 31 der angefoch­tenen Entscheidung hat die Beschwer­de­kammer jedoch erläutert, und das EUIPO hat dies in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass das in Rede stehende Zeichen von der Eintragung ausge­schlossen wurde, weil es gegen die guten Sitten verstößt. Somit hat die Beschwer­de­kammer fehlerfrei davon abgesehen, eine geson­derte Prüfung im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß des angemel­deten Zeichens gegen die öffent­liche Ordnung durch­zu­führen und die wegen Verstoßes gegen die öffent­liche Ordnung einen Ausschluss von der Eintragung recht­fer­ti­genden Rechts­vor­schriften und ‑grund­sätze anzugeben, die durch dieses Zeichen verletzt würden.

Zweitens macht die Klägerin geltend, dass durch die besondere Schreib­weise der Wortbe­stand­teile „fack“ und „ju“ ein ausrei­chender Abstand zu der mögli­cher­weise sitten­wid­rigen Redewendung „fuck you“ bestehe. Somit stelle das Anmel­de­zeichen in seiner Gesamtheit ein per se kennzeich­nungs­kräf­tiges Mehrwort­zeichen dar, das originell und prägnant sei und einen offen­sicht­lichen, für die relevanten Verkehrs­kreise ohne Weiteres erkenn­baren satiri­schen, scherz­haften und verspielten Gehalt aufweise.

Insoweit genügt der Hinweis, dass sich die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise dem vulgären Charakter dieses Ausdrucks und damit des Anmel­de­zei­chens gegenüber sähen, da sie, wie oben in Rn. 17 ausge­führt, das angemeldete Zeichen dahin auffassen werden, dass es sich dabei um die Übertragung des Ausdrucks „fuck you Goethe“ ins Deutsche handelt. Unter diesen Umständen genügt allein die Tatsache, dass das angemeldete Zeichen eine besondere Recht­schreibung aufweist, nicht aus, um ihm einen satiri­schen, scherz­haften und verspielten Gehalt zu verleihen.

Drittens führt die Klägerin aus, dass das Anmel­de­zeichen im Zusam­menhang mit dem Film „Fack Ju Göhte“ scherzhaft auf den gelegent­lichen Schul­frust der Schüler hinweise und dafür eine Wortkom­bi­nation verwende, die jugend­lichen Slang aufgreife.

Insoweit ist zunächst darauf hinzu­weisen, dass bei der Prüfung eines Verstoßes gegen die öffent­liche Ordnung oder die guten Sitten auf die Marke selbst abzustellen ist, d. h. auf das Zeichen in Verbindung mit den Waren und Dienst­leis­tungen, für die die Marke einge­tragen werden soll (Urteil vom 13. September 2005, Sportwetten/OHMI – Intertops Sport­wetten [INTERTOPS], T‑140/02, EU:T:2005:312, Rn. 27).

Weiter wird, worauf das EUIPO in seinen Schrift­sätzen hinweist, im Bereich der Kunst, der Kultur und der Literatur stets der Schutz der freien Meinungs­äu­ßerung angestrebt, der im Bereich des Marken­rechts nicht besteht.

Schließlich ist festzu­stellen, dass es sich bei den in Rede stehenden Waren und Dienst­leis­tungen um solche des laufenden täglichen Verbrauchs handelt, so dass die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise beim normalen Einkauf oder bei der Inanspruch­nahme üblicher Dienst­leis­tungen mit dem angemel­deten Zeichen konfron­tiert werden. Jedoch ist nicht erwiesen, dass die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise bei solchen Tätig­keiten in dem angemel­deten Zeichen den Titel eines erfolg­reichen Films erkennen und das Zeichen als einen „Scherz“ auffassen würden, wie es die Klägerin in ihren Schrift­sätzen darstellt.

Viertens macht die Klägerin geltend, die Beschwer­de­kammer habe sich auf ein falsches Verständnis des Ausdrucks „fuck you“ gestützt und dem in Rede stehenden Zeichen daher eine sexuelle Konno­tation beigemessen. Nach Auffassung der Klägerin haben der Ausdruck „fuck you“ und folglich erst recht das in Rede stehende Zeichen, wie es derzeit von den maßgeb­lichen Verkehrs­kreisen wahrge­nommen werde, keine sexuelle Konnotation.

Insoweit ist bereits oben in Rn. 18 darauf hinge­wiesen worden, dass der Ausdruck „fuck you“ ohne jegliche sexuelle Bedeutung verwendet werden kann. Jeden­falls ist die Beschwer­de­kammer in der vorlie­genden Rechts­sache davon ausge­gangen, dass es sich bei dem Ausdruck „fuck you“, selbst wenn die maßgeb­lichen Verkehrs­kreise ihm keine solche Bedeutung beimäßen, gleichwohl um einen Ausdruck handele, der nicht nur geschmacklos, sondern auch anstößig und vulgär sei. Unter diesen Umständen geht das Vorbringen der Klägerin, die Beschwer­de­kammer sei zu Unrecht davon ausge­gangen, dass das in Rede stehende Zeichen eine sexuelle Bedeutung habe, ins Leere und ihm kann nicht gefolgt werden.

Fünftens ist der von der Klägerin vorge­brachte Umstand irrelevant, dass sich das angemeldete Zeichen auch an Jugend­liche und insbe­sondere an Schüler richte und es für diese besondere Gruppe Spaß und Identi­fi­ka­ti­ons­fläche bedeute, selbst wenn er erwiesen wäre.

Dass ein Teil der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise eine äußerst derbe Ausdrucks­weise für akzep­tabel halten mag, reicht nämlich nicht, um diese Wahrnehmung als die maßgeb­liche anzusehen. Bei der Beurteilung, ob das Eintra­gungs­hin­dernis gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt, kann weder auf die Wahrnehmung des Teils der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise abgestellt werden, der leicht Anstoß nimmt, noch auf die Wahrnehmung des Teils dieser Kreise, der unemp­findlich ist, sondern es müssen die Kriterien einer vernünf­tigen Person mit durch­schnitt­licher Empfind­lich­keits- und Toleranz­schwelle zugrunde gelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2011, PAKI, T‑526/09, nicht veröf­fent­licht, EU:T:2011:564, Rn. 12).

Sechstens erinnert die Klägerin daran, dass die Vierte Beschwer­de­kammer des EUIPO in ihrer Entscheidung vom 28. Mai 2015 über das Zeichen „Die Wanderhure“ anerkannt habe, dass der Erfolg und die Bekanntheit des Werks tatsächlich gegen die Annahme einer Sitten­wid­rigkeit eines solchen Titels für Waren und Dienst­leis­tungen der Klassen 9, 16, 35, 38 und 41 sprechen könnten.

Insoweit ist darauf hinzu­weisen, dass das EUIPO verpflichtet ist, seine Befug­nisse im Einklang mit den allge­meinen Grund­sätzen des Unions­rechts, wie dem Grundsatz der Gleich­be­handlung und dem Grundsatz der ordnungs­ge­mäßen Verwaltung, auszuüben (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydaw­nicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 73).

Nach diesen beiden letzt­ge­nannten Grund­sätzen muss das EUIPO im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Unions­marke die zu ähnlichen Anmel­dungen ergan­genen Entschei­dungen berück­sich­tigen und beson­deres Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydaw­nicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Aller­dings müssen der Grundsatz der Gleich­be­handlung und der Grundsatz der ordnungs­ge­mäßen Verwaltung mit dem Gebot recht­mä­ßigen Handelns in Einklang gebracht werden (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydaw­nicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 75).

Im Übrigen muss aus Gründen der Rechts­si­cherheit und gerade auch der ordnungs­ge­mäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerecht­fer­tigte Eintragung von Marken zu verhindern. Diese Prüfung muss in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich von beson­deren, im Rahmen der tatsäch­lichen Umstände des Einzel­falls anwend­baren Kriterien ab, anhand deren ermittelt werden soll, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintra­gungs­hin­dernis fällt (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydaw­nicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorlie­genden Fall ist festzu­stellen, dass die Anmeldung des in Rede stehenden Zeichens und die Anmeldung des Zeichens „Die Wanderhure“ nicht als ähnlich im Sinne der oben in Rn. 37 angeführten Recht­spre­chung angesehen werden können. Zum einen war – wie die Beschwer­de­kammer zutreffend ausge­führt hat – das Zeichen „Die Wanderhure“ beschreibend für den Inhalt des gleich­na­migen Films, während dies beim angemel­deten Zeichen nicht der Fall ist. Daher ist es, wie oben in Rn. 19 ausge­führt worden ist, nicht möglich, vom großen Publi­kums­erfolg des Films „Fack Ju Göhte“ darauf zu schließen, dass das Publikum in dem in Rede stehenden Zeichen unmit­telbar den Filmtitel erkennen werde und nicht von dem angemel­deten Zeichen abgestoßen wäre. Zum anderen ist das Zeichen „Die Wanderhure“ aus der Sicht der maßgeb­lichen Verkehrs­kreise wesentlich weniger anstößig und – wenn es doch anstößig wäre – deutlich weniger vulgär als das angemeldete Zeichen. Nach alledem steht im Gegensatz zu dem, was mögli­cher­weise bei bestimmten früheren Anmel­dungen von aus Titeln künst­le­ri­scher Werke bestehenden Zeichen als Marken der Fall war, der vorlie­genden Anmeldung unter Berück­sich­tigung der Waren und Dienst­leis­tungen, für die die Eintragung beantragt wurde, und der Wahrnehmung durch die betei­ligten Verkehrs­kreise eines der in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 aufge­führten Eintra­gungs­hin­der­nisse entgegen.

Nach alledem kann die vorlie­gende Rüge nicht durchgreifen.

Siebtens macht die Klägerin geltend, es bestehe kein Anhalts­punkt dafür, dass das Anmel­de­zeichen in anderen Mitglied­staaten als Deutschland und Öster­reich nicht als origi­neller Herkunfts­hinweis auf die in Rede stehenden Waren und Dienst­leis­tungen verstanden und als sitten­widrig betrachtet werden könne. Außerdem fehle entspre­chender Vortrag der Beschwerdekammer.

Insoweit genügt der Hinweis, dass nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 die Bestim­mungen des Abs. 1 auch dann Anwendung finden, wenn die Eintra­gungs­hin­der­nisse nur in einem Teil der Union vorliegen. Da aufgrund der vorste­henden Ausfüh­rungen das in Rede stehende Eintra­gungs­hin­dernis in Deutschland und in Öster­reich besteht, durfte das fragliche Zeichen nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. f dieser Verordnung von der Eintragung ausge­schlossen werden.

Unter diesen Umständen ist diese Rüge und damit der erste Klage­grund insgesamt zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klage­grund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009

Die Klägerin macht geltend, das angemeldete Zeichen sei originär kennzeich­nungs­kräftig und originell sowie unter­schei­dungs­kräftig im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009.

Insoweit ist zu beachten, dass zum einen, da im Zusam­menhang mit dem ersten Klage­grund festge­stellt worden ist, dass das in Rede stehende Zeichen gegen die guten Sitten verstößt, die Beschwer­de­kammer es zu Recht gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung ausge­schlossen hat. Durch den Umstand – wenn er denn nachge­wiesen wäre –, dass das Zeichen im Übrigen unter­schei­dungs­kräftig sei, kann eine solche Lösung nicht in Frage gestellt werden. Zum anderen geht jeden­falls aus der angefoch­tenen Entscheidung nicht hervor, dass die Beschwer­de­kammer das in Rede stehende Zeichen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 von der Eintragung ausge­schlossen hätte.

Unter diesen Umständen ist der zweite Klage­grund, da er ins Leere geht, zurück­zu­weisen und damit die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfah­rens­ordnung des Gerichts ist die unter­lie­gende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verur­teilen. Da die Klägerin unter­legen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Constantin Film Produktion GmbH trägt die Kosten.

Verkündet in öffent­licher Sitzung in Luxemburg am 24. Januar 2018.