EuGH zu Kopier­schutz-Vorrich­tungen von Nintendo-Konsolen

Der EuGH (Urt. v. 23.01.2014; Az.: C‑355/12) hat entschieden, dass es Software­an­bietern in bestimmten Fällen gestattet ist, den Kopier­schutz von Nintendo-Geräten zu umgehen. Voraus­setzung ist jedoch, dass die Umgehung der Schutz­vor­rich­tungen nötig ist, um es Nutzern zu ermög­lichen, auf den Geräten die eigene Software des Anbieters abzuspielen. Die Umgehung der Schutz­me­cha­nismen zum Zwecke des Abspielens raubko­pierter Spiele bleibt jedoch weiterhin verboten.

In der Rechts­sache C‑355/12

betreffend ein Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen nach Art. 267 AEUV, einge­reicht vom Tribunale di Milano (Italien) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2011, beim Gerichtshof einge­gangen am 26. Juli 2012, in dem Verfahren

[av_one_half first av_uid=‘av-3h1joe’]

Nintendo Co. Ltd,

Nintendo of America Inc.,

Nintendo of Europe GmbH

[/av_one_half] [av_one_half av_uid=‘av-2t92ce’]

PC Box Srl,

9Net Srl

[/av_one_half]

 

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

aufgrund des schrift­lichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2013,

unter Berück­sich­tigung der Erklärungen

– der Nintendo Co. Ltd, der Nintendo of America Inc. und der Nintendo of Europe GmbH, vertreten durch …

– der PC Box Srl, vertreten durch …

– der polni­schen Regierung, vertreten durch …

– er Europäi­schen Kommission, vertreten durch …

nach Anhörung der Schluss­an­träge der General­an­wältin in der Sitzung vom 19. September 2013

folgendes

Urteil

Das Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen betrifft die Auslegung von Art. 6 der Richt­linie 2001/29/EG des Europäi­schen Parla­ments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmo­ni­sierung bestimmter Aspekte des Urheber­rechts und der verwandten Schutz­rechte in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft (ABl. L 167, S. 10).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechts­streits zwischen der Nintendo Co. Ltd, der Nintendo of America Inc. und der Nintendo of Europe GmbH (im Folgenden zusammen: Nintendo-Unter­nehmen) einer­seits und der PC Box Srl (im Folgenden: PC Box) und der 9Net Srl (im Folgenden: 9Net) anderer­seits über den Vertrieb von „mod chips“ und „game copiers“ (im Folgenden: Geräte von PC Box) durch PC Box über deren von 9Net betriebene Website.

Recht­licher Rahmen

Völker­recht

Art. 2 Abs. 1 der am 9. September 1886 in Bern unter­zeich­neten Überein­kunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung bestimmt:

„Die Bezeichnung ‚Werke der Literatur und Kunst‘ umfasst alle Erzeug­nisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissen­schaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks …“

 Unionsrecht

 Richt­linie 2001/29

In den Erwägungs­gründen 9 und 47 bis 50 der Richt­linie 2001/29 heißt es:

„(9) Jede Harmo­ni­sierung des Urheber­rechts und der verwandten Schutz­rechte muss von einem hohen Schutz­niveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. …

(47) Im Zuge der techni­schen Entwicklung werden Rechts­in­haber von techni­schen Maßnahmen Gebrauch machen können, die dazu bestimmt sind, die Verhin­derung oder Einschränkung von Handlungen zu erreichen, die von den Inhabern von Urheber­rechten oder verwandten Schutz­rechten oder des Sui-generis-Rechts an Daten­banken nicht genehmigt worden sind. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Umgehung des durch diese Vorrich­tungen geschaf­fenen techni­schen Schutzes durch rechts­widrige Handlungen ermög­licht oder erleichtert wird. Um ein unein­heit­liches recht­liches Vorgehen zu vermeiden, das den Binnen­markt in seiner Funktion beein­träch­tigen könnte, muss der recht­liche Schutz vor der Umgehung wirksamer techni­scher Maßnahmen und vor der Bereit­stellung entspre­chender Vorrich­tungen und Produkte bzw. der Erbringung entspre­chender Dienst­leis­tungen harmo­ni­siert werden.

(48) Dieser Rechts­schutz sollte für technische Maßnahmen gelten, die wirksam Handlungen beschränken, die von den Inhabern von Urheber­rechten oder verwandten Schutz­rechten oder des Sui-generis-Rechts an Daten­banken nicht genehmigt worden sind, ohne jedoch den normalen Betrieb elektro­ni­scher Geräte und deren technische Entwicklung zu behindern. Dieser Rechts­schutz verpflichtet nicht dazu, Vorrich­tungen, Produkte, Kompo­nenten oder Dienst­leis­tungen zu entwerfen, die den techni­schen Maßnahmen entsprechen, solange diese Vorrich­tungen, Produkte, Kompo­nenten oder Dienst­leis­tungen nicht in anderer Weise unter das Verbot des Artikels 6 fallen. Dieser Rechts­schutz sollte auch das Verhält­nis­mä­ßig­keits­prinzip berück­sich­tigen, und es sollten nicht jene Vorrich­tungen oder Handlungen untersagt werden, deren wirtschaft­licher Zweck und Nutzen nicht in der Umgehung techni­scher Schutz­vor­keh­rungen besteht. Insbe­sondere dürfen die Forschungs­ar­beiten im Bereich der Verschlüs­se­lungs­tech­niken dadurch nicht behindert werden.

(49) Der Rechts­schutz techni­scher Maßnahmen lässt einzel­staat­liche Rechts­vor­schriften unberührt, die den privaten Besitz von Vorrich­tungen, Erzeug­nissen oder Bestand­teilen zur Umgehung techni­scher Maßnahmen untersagen.

(50) Ein solcher harmo­ni­sierter Rechts­schutz lässt die spezi­ellen Schutz­be­stim­mungen gemäß der Richt­linie [2009/24/EG des Europäi­schen Parla­ments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechts­schutz von Compu­ter­pro­grammen (ABl. L 111, S. 16)] unberührt. Er sollte insbe­sondere nicht auf den Schutz der in Verbindung mit Compu­ter­pro­grammen verwen­deten techni­schen Maßnahmen Anwendung finden, der ausschließlich in jener Richt­linie behandelt wird. Er sollte die Entwicklung oder Verwendung anderer Mittel zur Umgehung techni­scher Maßnahmen, die erfor­derlich sind, um Handlungen nach Artikel 5 Absatz 3 oder Artikel 6 der Richt­linie [2009/24] zu ermög­lichen, nicht aufhalten oder verhindern. Artikel 5 und 6 jener Richt­linie sehen ausschließlich Ausnahmen von den auf Compu­ter­pro­gramme anwend­baren ausschließ­lichen Rechten vor.“

Art. 1 der Richt­linie 2001/29 bestimmt:

„(1) Gegen­stand dieser Richt­linie ist der recht­liche Schutz des Urheber­rechts und der verwandten Schutz­rechte im Rahmen des Binnen­markts, insbe­sondere in Bezug auf die Informationsgesellschaft.

(2) Außer in den in Artikel 11 genannten Fällen lässt diese Richt­linie die bestehenden gemein­schafts­recht­lichen Bestim­mungen über folgende Bereiche unberührt und beein­trächtigt sie in keiner Weise:

a) über den recht­lichen Schutz von Computerprogrammen;

…“

Art. 6 Abs. 1 bis 3 dieser Richt­linie lautet:

„(1) Die Mitglied­staaten sehen einen angemes­senen Rechts­schutz gegen die Umgehung wirksamer techni­scher Maßnahmen durch eine Person vor, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt.

(2) Die Mitglied­staaten sehen einen angemes­senen Rechts­schutz gegen die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, den Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und den Besitz zu kommer­zi­ellen Zwecken von Vorrich­tungen, Erzeug­nissen oder Bestand­teilen sowie die Erbringung von Dienst­leis­tungen vor,

a) die Gegen­stand einer Verkaufs­för­derung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer techni­scher Maßnahmen sind oder

b) die, abgesehen von der Umgehung wirksamer techni­scher Maßnahmen, nur einen begrenzten wirtschaft­lichen Zweck oder Nutzen haben oder

c) die haupt­sächlich entworfen, herge­stellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer techni­scher Maßnahmen zu ermög­lichen oder zu erleichtern.

(3) Im Sinne dieser Richt­linie bezeichnet der Ausdruck ‚technische Maßnahmen‘ alle Techno­logien, Vorrich­tungen oder Bestand­teile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutz­ge­gen­stände betref­fende Handlungen zu verhindern oder einzu­schränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheber­rechte oder der dem Urheber­recht verwandten gesetzlich geschützten Schutz­rechte oder des in Kapitel III der Richt­linie 96/9/EG [des Europäi­schen Parla­ments und des Rates vom 11. März 1996 über den recht­lichen Schutz von Daten­banken (ABl. L 77, S. 20)] veran­kerten Sui-generis-Rechts ist. Technische Maßnahmen sind als ‚wirksam‘ anzusehen, soweit die Nutzung eines geschützten Werks oder eines sonstigen Schutz­ge­gen­stands von den Rechts­in­habern durch eine Zugangs­kon­trolle oder einen Schutz­me­cha­nismus wie Verschlüs­selung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutz­ge­gen­stands oder einen Mecha­nismus zur Kontrolle der Verviel­fäl­tigung, die die Errei­chung des Schutz­ziels sicher­stellen, unter Kontrolle gehalten wird.“

Richt­linie 2009/24

 Art. 1 Abs. 1 der Richt­linie 2009/24 lautet:

 „Gemäß den Bestim­mungen dieser Richt­linie schützen die Mitglied­staaten Compu­ter­pro­gramme urheber­rechtlich als litera­rische Werke im Sinne der Berner Überein­kunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richt­linie umfasst der Begriff ‚Compu­ter­pro­grammʻ auch das Entwurfs­ma­terial zu ihrer Vorbereitung.“

Italie­ni­sches Recht

Art. 102quater der Legge n. 633 – Prote­zione del diritto d’autore e di altri diritti connessi al suo esercizio (Gesetz Nr. 633 über den Schutz des Urheber­rechts und mit dessen Ausübung verbun­dener weiterer Rechte) vom 22. April 1941 (GURI Nr. 166 vom 16. Juli 1941) in der Fassung des Decreto legis­lativo n. 68 – Attua­zione della direttiva 2001/29/CE sull’ar­mo­niz­za­zione di taluni aspetti del diritto d’autore e dei diritti connessi nella società dell’in­for­ma­zione (Geset­zes­dekret Nr. 68 zur Umsetzung der Richt­linie 2001/29/EG zur Harmo­ni­sierung bestimmter Aspekte des Urheber­rechts und der verwandten Schutz­rechte in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft) vom 9. April 2003 (GURI Nr. 87 vom 14. April 2003, Supple­mento ordinario) bestimmt:

„(1) Die Inhaber von Urheber­rechten und verwandten Rechten sowie des Rechts aus Art. 102bis Abs. 3 [über Daten­banken] können auf Werke oder Schutz­ge­gen­stände wirksame technische Schutz­maß­nahmen anwenden, die alle Techno­logien, Vorrich­tungen und Bestand­teile umfassen, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Handlungen zu verhindern oder einzu­schränken, die von den Inhabern der Rechte nicht genehmigt worden sind.

(2) Technische Maßnahmen sind als wirksam anzusehen, soweit die Nutzung des Werks oder des Schutz­ge­gen­stands von den Rechts­in­habern durch eine Zugangs­vor­richtung oder einen Schutz­me­cha­nismus wie Verschlüs­selung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder Schutz­ge­gen­stands unter Kontrolle gehalten oder durch einen Mecha­nismus zur Kontrolle der Verviel­fäl­tigung, der die Errei­chung des Schutz­ziels sicher­stellt, einge­schränkt wird.

(3) Die Anwendung der Bestim­mungen über Compu­ter­pro­gramme nach Titel I Kapitel IV Abschnitt VI bleibt unberührt.“

Ausgangs­ver­fahren und Vorlagefragen

Die Nintendo-Unter­nehmen, die zu einer Unter­neh­mens­gruppe gehören, die Video­spiele entwi­ckelt und produ­ziert, vertreiben zwei Arten von Video­spiel­pro­dukten, nämlich tragbare Spiel­systeme, die „DS“-Konsolen, und Spiel­systeme mit statio­nären Konsolen, die „Wii“-Konsolen.

Die Nintendo-Unter­nehmen haben technische Maßnahmen getroffen, und zwar in Form eines in den Konsolen einge­bauten Erken­nungs­systems und eines verschlüs­selten Codes für den physi­schen Träger, auf dem die urheber­rechtlich geschützten Video­spiele aufge­zeichnet sind. Diese Maßnahmen verhindern die Benutzung illegaler Kopien von Video­spielen. Die nicht mit einem Code verse­henen Spiele können auf keinem der beiden von den Nintendo-Unter­nehmen vertrie­benen Geräte­typen gestartet werden.

Aus der Vorla­ge­ent­scheidung geht weiter hervor, dass durch diese techni­schen Maßnahmen die Verwendung von nicht von Nintendo stammenden Programmen, Spielen und generell Multi­media-Inhalten auf den genannten Konsolen verhindert wird.

Die Nintendo-Unter­nehmen erfuhren von der Existenz der Geräte von PC Box, die nach ihrer Instal­lation auf der Konsole das auf der Hardware vorhandene Schutz­system umgehen und die Verwendung nachge­ahmter Video­spiele ermöglichen.

Da die Nintendo-Unter­nehmen der Auffassung waren, dass der Haupt­zweck der Geräte von PC Box darin bestehe, die techni­schen Schutz­maß­nahmen der Nintendo-Spiele zu umgehen oder auszu­schalten, verklagten sie PC Box und 9Net vor dem Tribunale di Milano.

PC Box vertreibt Original-Nintendo-Konsolen in Verbindung mit zusätz­licher Software, die aus bestimmten Anwen­dungen unabhän­giger Hersteller – „homebrews“ – besteht, die speziell zur Verwendung auf diesen Konsolen entwi­ckelt wurden und deren Verwendung die vorherige Instal­lation der Geräte von PC Box erfordert, durch die die instal­lierte Vorrichtung, welche die technische Schutz­maß­nahme darstellt, deakti­viert wird.

Nach Ansicht von PC Box besteht das von den Nintendo-Unter­nehmen verfolgte Ziel in Wirklichkeit darin, die Verwendung unabhän­giger Software zu verhindern, die keine illegale Kopie eines Video­spiels sei, sondern es ermög­lichen solle, MP3-Dateien, Filme und Videos auf den Konsolen abzuspielen, um diese in vollem Umfang nutzen zu können.

Nach Auffassung des vorle­genden Gerichts kann der Schutz von Video­spielen nicht auf den für Compu­ter­pro­gramme vorge­se­henen Schutz beschränkt werden. Zwar bezögen Video­spiele ihre Funkti­ons­fä­higkeit aus einem Compu­ter­pro­gramm, jedoch starteten und liefen sie nach Maßgabe einer von den Urhebern dieser Spiele vorher­be­stimmten Erzähl­strecke, bei der eine Gesamtheit von Bildern und Klängen mit gewisser konzep­tio­neller Eigen­stän­digkeit zutage trete.

Das vorle­gende Gericht wirft die Frage auf, ob der Einsatz techni­scher Schutz­maß­nahmen wie der im Ausgangs­ver­fahren fraglichen durch Nintendo nicht über das hinausgehe, was Art. 6 der Richt­linie 2001/29, wie er im Licht des 48. Erwägungs­grundes dieser Richt­linie auszu­legen sei, zu diesem Zweck vorsehe.

Unter diesen Umständen hat das Tribunale di Milano das Verfahren ausge­setzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt:

1.Ist Art. 6 der Richt­linie 2001/29, auch im Licht ihres 48. Erwägungs­grundes, dahin auszu­legen, dass der Schutz der techni­schen Schutz­maß­nahmen hinsichtlich vom Urheber­recht geschützter Werke oder Materialien sich auch auf ein von demselben Unter­nehmen herge­stelltes und vertrie­benes System erstrecken kann, bei dem in der Hardware eine Vorrichtung instal­liert ist, die fähig ist, auf einem separaten Träger, der das geschützte Werk enthält (von demselben Unter­nehmen und auch von Dritten, den Inhabern der geschützten Werke, herge­stelltes Video­spiel), einen Erken­nungscode zu erkennen, ohne den das besagte Werk im Rahmen dieses Systems nicht sichtbar gemacht und benutzt werden kann, wodurch dieses Gerät mit einem System versehen ist, das die Inter­ope­ra­bi­lität mit Geräten und ergän­zenden Produkten, die nicht von dem Unter­nehmen stammen, das dieses System herge­stellt hat, ausschließt?

2.Kann Art. 6 der Richt­linie 2001/29, auch im Licht ihres 48. Erwägungs­grundes, dahin ausgelegt werden, dass, wenn beurteilt werden muss, ob der Gebrauch eines Produkts oder einer Kompo­nente mit dem Ziel der Umgehung einer techni­schen Schutz­maß­nahme gegenüber einem anderen wirtschaft­lichen Zweck oder Nutzen überwiegt oder nicht, das nationale Gericht Bewer­tungs­kri­terien anwenden muss, die die besondere Bestimmung hervor­heben, die dem Produkt, in das der geschützte Inhalt einge­führt wird, vom Rechts­in­haber zugeschrieben wurde, oder, alter­nativ oder zusätzlich, quanti­tative Kriterien hinsichtlich des Umfangs der vergli­chenen Verwen­dungen oder quali­tative Kriterien, d. h. hinsichtlich der Art und der Bedeutung der Verwen­dungen selbst?

Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorle­gende Gericht im Wesent­lichen wissen, ob erstens die Richt­linie 2001/29 dahin auszu­legen ist, dass der Begriff „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Richt­linie auch technische Maßnahmen umfassen kann, die haupt­sächlich darin bestehen, nicht nur den Träger, der das geschützte Werk, wie das Video­spiel, enthält, mit einer Erken­nungs­vor­richtung zu versehen, um das Werk gegen Handlungen zu schützen, die vom Inhaber eines Urheber­rechts nicht genehmigt worden sind, sondern auch die tragbaren Geräte oder die Konsolen, die den Zugang zu diesen Spielen und deren Benutzung sicher­stellen sollen.

Zweitens fragt das vorle­gende Gericht den Gerichtshof im Kern, nach welchen Kriterien der Umfang des recht­lichen Schutzes gegen eine Umgehung der wirksamen techni­schen Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der Richt­linie 2001/29 zu beurteilen ist. Insbe­sondere möchte es wissen, ob es insoweit zum einen auf den beson­deren Verwen­dungs­zweck ankommt, der dem Erzeugnis mit dem geschützten Inhalt – wie den Nintendo-Konsolen – vom Rechts­in­haber zugeschrieben wurde, und zum anderen auf Umfang, Art und Bedeutung der Verwen­dungen der Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile, die zur Umgehung dieser wirksamen techni­schen Maßnahmen geeignet sind – wie der Geräte von PC Box.

Hierzu ist zunächst festzu­stellen, dass Gegen­stand der Richt­linie 2001/29, wie insbe­sondere aus ihrem Art. 1 Abs. 1 hervorgeht, der recht­liche Schutz des Urheber­rechts und der verwandten Rechte ist, die die ausschließ­lichen Rechte der Urheber an ihren Werken umfassen. Werke wie Compu­ter­pro­gramme sind urheber­rechtlich geschützt, sofern sie Originale sind, d. h. eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq Inter­na­tional, C‑5/08, Slg. 2009, I‑6569, Rn. 35).

Nichts in der Richt­linie 2001/29 deutet darauf hin, dass die Teile eines Werks einer anderen Regelung unter­liegen als das Gesamtwerk. Folglich sind sie urheber­rechtlich geschützt, da sie als solche an der Origi­na­lität des Gesamt­werks teilhaben (vgl. Urteil Infopaq Inter­na­tional, Rn. 38).

Dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass die Richt­linie 2009/24 im Verhältnis zur Richt­linie 2001/29 lex specialis ist (vgl. Urteil vom 3. Juli 2012, UsedSoft, C‑128/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröf­fent­licht, Rn. 56). Nach Art. 1 Abs. 1 der Richt­linie 2009/24 beschränkt sich nämlich der durch sie gewährte Schutz auf Compu­ter­pro­gramme. Wie sich aus der Vorla­ge­ent­scheidung ergibt, stellen jedoch Video­spiele wie die im Ausgangs­ver­fahren fraglichen komplexe Gegen­stände dar, die nicht nur Compu­ter­pro­gramme, sondern auch grafische und klang­liche Bestand­teile umfassen, die, auch wenn sie in einer Compu­ter­sprache kodiert sind, eigenen schöp­fe­ri­schen Wert besitzen, der nicht auf diese Kodierung beschränkt ist. Da die Teile eines Video­spiels, im vorlie­genden Fall die grafi­schen und klang­lichen Bestand­teile, an der Origi­na­lität des Werks teilhaben, sind sie zusammen mit dem Gesamtwerk durch das Urheber­recht im Rahmen der mit der Richt­linie 2001/29 einge­führten Regelung geschützt.

Nach Art. 6 der Richt­linie 2001/29 sind die Mitglied­staaten verpflichtet, einen angemes­senen Rechts­schutz gegen die Umgehung wirksamer „techni­scher Maßnahmen“ vorzu­sehen, die in Abs. 3 definiert werden als alle Techno­logien, Vorrich­tungen oder Bestand­teile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutz­ge­gen­stände betref­fende Handlungen zu verhindern oder einzu­schränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheber­rechte oder der dem Urheber­recht verwandten gesetzlich geschützten Schutz­rechte oder des in Kapitel III der Richt­linie 96/9 veran­kerten Sui-generis-Rechts ist.

Solche Handlungen sind, wie sich aus den Art. 2 bis 4 der Richt­linie 2001/29 ergibt, die Verviel­fäl­ti­gungen, die öffent­liche Wiedergabe und die öffent­liche Zugäng­lich­ma­chung von Werken sowie die Verbreitung des Originals eines Werks und seiner Verviel­fäl­ti­gungs­stücke. Der in Art. 6 genannte Rechts­schutz wird nur gewährt, um den Rechts­in­haber vor Handlungen zu schützen, für die seine Geneh­migung erfor­derlich ist.

Insoweit ist als Erstes festzu­stellen, dass diese Richt­linie keinen Anhalts­punkt für die Annahme enthält, dass sich ihr Art. 6 Abs. 3 nicht auf technische Maßnahmen wie die im Ausgangs­ver­fahren fraglichen beziehe, die zum Teil in die physi­schen Träger der Spiele und zum Teil in die Konsolen integriert sind und eine Inter­aktion zwischen beiden Teilen erfordern.

Wie die General­an­wältin in Nr. 43 ihrer Schluss­an­träge hervor­ge­hoben hat, ist dieser Bestimmung nämlich zu entnehmen, dass die Definition des Begriffs „wirksame technische Maßnahmen“ weit ist und eine Zugangs­kon­trolle oder einen Schutz­me­cha­nismus wie eine Verschlüs­selung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutz­ge­gen­stands oder einen Mecha­nismus zur Kontrolle der Verviel­fäl­tigung einschließt. Diese Definition steht auch mit dem Haupt­zweck der Richt­linie 2001/29 in Einklang, der, wie aus deren neuntem Erwägungs­grund folgt, darin besteht, zugunsten namentlich der Urheber ein hohes Schutz­niveau einzu­führen, das für das geistige Schaffen wesentlich ist.

Somit fallen die techni­schen Maßnahmen wie die im Ausgangs­ver­fahren fraglichen, die zum Teil in die physi­schen Träger der Video­spiele und zum Teil in die Konsolen integriert sind und eine Inter­aktion zwischen beiden Teilen erfordern, unter den Begriff der „wirksamen techni­schen Maßnahmen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richt­linie 2001/29, wenn sie bezwecken, Handlungen zu verhindern oder zu beschränken, die die durch die Richt­linie geschützten Rechte des Betrof­fenen verletzen.

Als Zweites ist zu prüfen, nach welchen Kriterien der Umfang des Rechts­schutzes gegen die Umgehung wirksamer techni­scher Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der Richt­linie 2001/29 zu beurteilen ist.

Wie die General­an­wältin in den Nrn. 53 bis 63 ihrer Schluss­an­träge festge­stellt hat, ist bei der Prüfung dieser Frage zu berück­sich­tigen, dass der Rechts­schutz gegen vom Inhaber der Urheber­rechte nicht geneh­migte Handlungen gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richt­linie 2001/29 in dessen Auslegung im Licht des 48. Erwägungs­grundes der Richt­linie den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit wahren muss und keine Vorrich­tungen oder Handlungen unter­sagen darf, die einen anderen wirtschaft­lichen Zweck oder Nutzen haben als die Erleich­terung dieser Handlungen durch Umgehung der techni­schen Schutzvorkehrungen.

Demnach wird dieser Rechts­schutz nur für technische Maßnahmen gewährt, die das Ziel verfolgen, die in Rn. 25 des vorlie­genden Urteils genannten, vom Inhaber eines Urheber­rechts nicht geneh­migten Handlungen in Bezug auf Werke zu verhindern oder zu unter­binden. Die Maßnahmen müssen zur Verwirk­li­chung dieses Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das hierzu Erfor­der­liche hinausgehen.

In diesem Zusam­menhang muss geprüft werden, ob andere Vorkeh­rungen oder nicht in die Konsolen einge­baute Vorkeh­rungen zu gerin­geren Beein­träch­ti­gungen oder Beschrän­kungen der Handlungen Dritter, für die es keiner Geneh­migung des Inhabers der Urheber­rechte bedarf, hätten führen können, dabei aber einen vergleich­baren Schutz für die Rechte des Betrof­fenen geboten hätten.

Hierbei sollten insbe­sondere die Kosten für die verschie­denen Arten techni­scher Maßnahmen, die techni­schen und prakti­schen Aspekte ihrer Durch­führung und ein Vergleich der Wirksamkeit dieser verschie­denen Arten techni­scher Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betrof­fenen berück­sichtigt werden, wobei diese Wirksamkeit jedoch nicht absolut sein muss.

Bei der Beurteilung des Umfangs des fraglichen Rechts­schutzes sollte, wie die General­an­wältin in Nr. 67 ihrer Schluss­an­träge hervor­ge­hoben hat, nicht auf den spezi­ellen Verwen­dungs­zweck der Konsolen, wie er diesen vom Inhaber der Urheber­rechte zugeschrieben worden ist, abgestellt werden. Vielmehr sind bei dieser Beurteilung die Kriterien heran­zu­ziehen, die in Art. 6 Abs. 2 der Richt­linie 2001/29 hinsichtlich derje­nigen Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile vorge­sehen sind, die zur Umgehung des Schutzes der wirksamen techni­schen Maßnahmen geeignet sind.

Nach dieser Bestimmung sind die Mitglied­staaten verpflichtet, einen angemes­senen Rechts­schutz gegen diese Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile vorzu­sehen, die auf die Umgehung des Schutzes der wirksamen techni­schen Maßnahmen abzielen oder die, abgesehen von der Umgehung dieses Schutzes, nur einen begrenzten wirtschaft­lichen Zweck oder Nutzen haben oder die haupt­sächlich entworfen, herge­stellt, angepasst oder erbracht werden, um diese Umgehung zu ermög­lichen oder zu erleichtern.

Insoweit wird es bei der Prüfung des Zwecks dieser Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile je nach den gegebenen Umständen besonders auf den Nachweis ankommen, in welcher Weise diese von Dritten tatsächlich verwendet werden. Das vorle­gende Gericht kann u. a prüfen, wie oft die Geräte von PC Box tatsächlich verwendet werden, um nicht geneh­migte Kopien von Nintendo-Spielen und von durch Nintendo lizen­zierten Spielen auf Nintendo-Konsolen benutzen zu können, und wie oft diese Geräte zu Zwecken verwendet werden, die das Urheber­recht an Nintendo-Spielen und an von Nintendo lizen­zierten Spielen nicht verletzen.

Nach alledem ist auf die Vorla­ge­fragen zu antworten, dass die Richt­linie 2001/29 dahin auszu­legen ist, dass der Begriff „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Richt­linie auch technische Maßnahmen umfassen kann, die haupt­sächlich darin bestehen, nicht nur den Träger, der das geschützte Werk, wie das Video­spiel, enthält, mit einer Erken­nungs­vor­richtung zu versehen, um das Werk gegen Handlungen zu schützen, die vom Inhaber eines Urheber­rechts nicht genehmigt worden sind, sondern auch die tragbaren Geräte oder die Konsolen, die den Zugang zu diesen Spielen und deren Benutzung sicher­stellen sollen.

Es ist Sache des natio­nalen Gerichts, zu prüfen, ob andere Vorkeh­rungen oder nicht in die Konsolen einge­baute Vorkeh­rungen zu gerin­geren Beein­träch­ti­gungen oder Beschrän­kungen der Handlungen Dritter führen könnten, dabei aber einen vergleich­baren Schutz für die Rechte des Betrof­fenen bieten könnten. Dazu sollten insbe­sondere die Kosten für die verschie­denen Arten techni­scher Maßnahmen, die techni­schen und prakti­schen Aspekte ihrer Durch­führung und ein Vergleich der Wirksamkeit dieser verschie­denen Arten techni­scher Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betrof­fenen berück­sichtigt werden, wobei diese Wirksamkeit jedoch nicht absolut sein muss. Außerdem wird das nationale Gericht den Zweck der Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile, die zur Umgehung der genannten techni­schen Maßnahmen geeignet sind, zu prüfen haben. Dabei wird es je nach den gegebenen Umständen besonders auf den Nachweis ankommen, in welcher Weise Dritte diese Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile tatsächlich verwenden. Das nationale Gericht kann u. a prüfen, wie oft diese Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile unter Verletzung des Urheber­rechts tatsächlich verwendet werden und wie oft sie zu Zwecken verwendet werden, die dieses Recht nicht verletzen.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangs­ver­fahrens ist das Verfahren ein Zwischen­streit in dem bei dem vorle­genden Gericht anhän­gigen Rechts­streit; die Kosten­ent­scheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Betei­ligter für die Abgabe von Erklä­rungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Richt­linie 2001/29/EG des Europäi­schen Parla­ments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmo­ni­sierung bestimmter Aspekte des Urheber­rechts und der verwandten Schutz­rechte in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft ist dahin auszu­legen, dass der Begriff „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Richt­linie auch technische Maßnahmen umfassen kann, die haupt­sächlich darin bestehen, nicht nur den Träger, der das geschützte Werk, wie das Video­spiel, enthält, mit einer Erken­nungs­vor­richtung zu versehen, um das Werk gegen Handlungen zu schützen, die vom Inhaber des Urheber­rechts nicht genehmigt worden sind, sondern auch die tragbaren Geräte oder die Konsolen, die den Zugang zu diesen Spielen und deren Benutzung sicher­stellen sollen.

 

Es ist Sache des natio­nalen Gerichts, zu prüfen, ob andere Vorkeh­rungen oder nicht in die Konsolen einge­baute Vorkeh­rungen zu gerin­geren Beein­träch­ti­gungen oder Beschrän­kungen der Handlungen Dritter führen könnten, dabei aber einen vergleich­baren Schutz für die Rechte des Betrof­fenen bieten könnten. Dazu sollten insbe­sondere die Kosten für die verschie­denen Arten techni­scher Maßnahmen, die techni­schen und prakti­schen Aspekte ihrer Durch­führung und ein Vergleich der Wirksamkeit dieser verschie­denen Arten techni­scher Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betrof­fenen berück­sichtigt werden, wobei diese Wirksamkeit jedoch nicht absolut sein muss. Außerdem wird das nationale Gericht den Zweck der Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile, die zur Umgehung der genannten techni­schen Maßnahmen geeignet sind, zu prüfen haben. Dabei wird es je nach den gegebenen Umständen besonders auf den Nachweis ankommen, in welcher Weise Dritte diese Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile tatsächlich verwenden. Das nationale Gericht kann u. a prüfen, wie oft diese Vorrich­tungen, Erzeug­nisse oder Bestand­teile unter Verletzung des Urheber­rechts tatsächlich verwendet werden und wie oft sie zu Zwecken verwendet werden, die dieses Recht nicht verletzen.

* Verfah­rens­sprache: Italienisch.