Kosme­tik­ver­pa­ckung und ihre wettbe­werblich Eigenart

Das OLG Köln lehnte einen Anspruch der Klägerin aus ihrem Geschmacks­muster ab, da die in der Anmeldung veröf­fent­lichten Merkmale nicht verletzt sind. Auch die seitens der Klägerin in Feld geführten Ansprüche aus Urheber­recht oder dem ergän­zenden Leistungs­schutz führten nicht zum Erfolg, denn diese wurden von den Richtern alle abgelehnt.

Urteil

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 01.02.2011 verkündete Urteil der 33. Zivil­kammer des Landge­richts Köln — 33 O 235/10 — wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungs­ver­fahrens einschließlich der durch die Streit­hilfe verur­sachten zweit­in­stanz­lichen Kosten werden der Klägerin auferlegt.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstre­ckung durch Sicher­heits­leistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreck­baren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streit­hel­ferin vor der Vollstre­ckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstre­ckenden Betrages leisten.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 I.

Die Klägerin, ein weltweit tätiges katala­ni­sches Famili­en­un­ter­nehmen, zählt sich zu den führenden Anbietern von Behält­nissen für Kosme­tik­ar­tikel. 2002 entwi­ckelte sie einen von ihr „Ice Cube” genannten würfel­för­migen Creme­tiegel (Anlage K 4). Ihr Geschäfts­führer hinter­legte zwei Schnitt­zeich­nungen (Fig. 3–1 und 3–2) als inter­na­tio­nales Geschmacks­muster Nr. WO77228 mit Priorität vom 26.02.2002 und Schutz­wirkung für Deutschland (Anlage K 5); er räumte der Klägerin daran ausschließ­liche Verwer­tungs­rechte ein und ermäch­tigte sie zur Ausübung aller Ansprüche (Anlage K 6).

Die Beklagte, die sich selbst als TV-Kaufhaus bezeichnet, bot über das Fernsehen und ihren Onlineshop eine Gesichts­creme unter der Bezeichnung „S. M.® MSC Magic Skin Care — Womeno” in einem dem „Ice Cube” ähnlichen Behältnis an (Anlage K 8; Abbildung Anlage K 7).

Die Klägerin sieht darin eine Verletzung ihres Geschmacks­musters und eine wettbe­werbs­rechtlich unlautere Nachahmung ihres Erzeug­nisses. Sie behauptet, im Zusam­men­wirken mit Frau S. M. I., der sie im Rahmen eines Angebots Muster und Fotos des Behält­nisses überlassen habe, sei von der Liefe­rantin und Streit­hel­ferin der Beklagten die Herstellung von Plagiaten in China veran­lasst worden. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unter­lassung der Herstellung, des Anbietens und Inver­kehr­bringens, der Ein- und Ausfuhr, des Gebrauchs und des Besitzes der im Klage­antrag abgebil­deten und beschrie­benen Kosme­tik­crem­ebe­hälter, auf Auskunft, Rechnungs­legung, Herausgabe zur Vernichtung und auf Schadens­er­satz­fest­stellung in Anspruch. Mit dem angefoch­tenen Urteil, auf das wegen der Einzel­heiten des Sach- und Streit­standes sowie der gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landge­richt die Klage abgewiesen.

Im Berufungs­rechtszug verfolgt die Klägerin vorrangig ihre auf das Geschmacks­muster gestützten bishe­rigen Anträge und hilfs­weise einen wettbe­werbs­rechtlich begrün­deten, auf das Anbieten und/oder Inver­kehr­bringen beschränkten Unter­las­sungs­antrag mit darauf bezogenen Annex­an­trägen (ohne Vernich­tungs­an­spruch) weiter. Äußerst hilfs­weise stützt sie sich auf der Basis ihres bishe­rigen Tatsa­chen­vor­trags nunmehr auch auf eine Urheber­rechts­ver­letzung; sie meint, im Lichte der neueren Recht­spre­chung des Europäi­schen Gerichtshofs genieße ihr „Ice cube” als eigen­per­sön­liche schöp­fe­rische Leistung ihres Geschäfts­führers urheber­recht­lichen Schutz.

Die Beklagte und ihre Streit­hel­ferin vertei­digen die Entscheidung des Landgerichts.

II.

 1. Die Berufung ist zulässig.

Soweit die Klägerin die Klage im Berufungs­rechtszug auch auf ihr Nutzungs­recht an einem urheber­rechts­fä­higen Werk ihres Geschäfts­führers gestützt und damit hilfs­weise um einen zusätz­lichen Streit­ge­gen­stand (vgl. BGH, GRUR 2011, 521 = WRP 2011, 878 [Rn. 3] — TÜV m.w.N.) erweitert hat, ist anzunehmen, dass die Beklagte in diese (sachdien­liche) KIage­än­derung, die auf ohnehin vom Senat zu Grunde zu legende Tatsachen gestützt werden kann (§§ 533 Nr. 2, 529 ZPO), ungeachtet der Rüge ihrer Streit­hel­ferin einge­willigt hat (§§ 533 Nr. 1, 525, 267 ZPO).

2. In der Sache bleibt das Rechts­mittel jedoch ohne Erfolg.

a) Zu Recht hat das Landge­richt Ansprüche der Klägerin aus dem inter­na­tio­nalen Geschmacks­muster Nr. WO77228 (§§ 38 Abs. 1 S. 1, 42 Abs. 1 und 2, 43, 46, 66, 71 GeschmMG) verneint.

Die Kammer hat dem durch zwei Schnitt­zeich­nungen indivi­dua­li­sierten Muster nicht mangels Eintra­gungs­fä­higkeit jeden Schutz verweigert, aber zutref­fend darauf abgestellt, dass sich der Schutz nur auf solche Merkmale erstreckt, die der bekannt gemachten bildlichen Muster­wie­dergabe (§ 11 Abs. 2 Nr. 3 GeschmMG) entnommen werden können; eine unvoll­ständige Wiedergabe führt ungeachtet schrift­licher Ausfüh­rungen zu keinem erhöhten Schutz­umfang (vgl. Eichmann / von Falcken­stein, GeschmMG, 4. Aufl., § 11 Rn. 23; 26). Weil der Schutz des Musters von dem Gesamt­ein­druck abhängt, den es beim infor­mierten Benutzer erweckt (§§ 2 Abs. 3 S. 1, 38 Abs. 2 S. 1 GeschmMG), wird es nur selten vorkommen, dass sich die ästhe­ti­schen Gestaltungsmerk­male, für die Schutz beansprucht wird, mit Hilfe einer einfachen gedank­lichen Inter­po­lation hinrei­chend deutlich aus mehreren techni­schen Zeich­nungen entnehmen lassen (die von der Berufung zitierte Entscheidung OLG Düsseldorf, GRUR 1983, 748 [750] — HEWI-Beschla­g­­pro­gramm betraf die im Kopf des Betrachters unschwer zu einem Bild zusam­menzufügende Grund- und Seiten­an­sicht eines Möbelhakens).

Im Streitfall kann keine Rede davon sein, dass die beiden im Register ohne jeden Hinweis auf ihre räumliche Anordnung abgebil­deten abgerun­deten Quadrate mit innen­lie­gendem Halb- oder Viertel­kreis den gleichen Gesamt­ein­druck hervor­rufen würden wie das angegriffene Erzeugnis. Wie im angefoch­tenen Urteil richtig ausge­führt, sind den hinter­legten Schnitt­zeich­nungen insbe­sondere die für die Anmutung eines „Eiswürfels” mit integriertem kugel­för­migen Cremebe­hälter wesent­lichen und im Unter­las­sungs­antrag (Berufungs­antrag zu Nr. I.1.1) eigens verba­li­sierten Gestal­tungs­merkmale der kubischen Form, der Ausführung der Wan­dungen in trans­pa­rentem Kunst­stoff und der metal­lisch reflek­tie­renden Außen­seite der zentral angeord­neten Kugel nicht zu entnehmen.

b) Die Ablehnung wettbe­werbs­recht­licher Ansprüche (§§ 3, 4 Nr. 9, 8 Abs. 1, 9 UWG, § 242 BGB) durch das Landge­richt beanstandet die Berufung ebenfalls ohne Erfolg.

aa) Ergän­zenden wettbe­werbs­recht­lichen Leistungs­schutz gewährt das Gesetz (§ 4 Nr. 9 UWG) nicht gegen (identische oder nachschaf­fende) Übernahmen der Leistungs­er­geb­nisse eines Unter­nehmens als solche, sondern nur gegen deren unlautere Vermarktung durch Mitbe­werber (BGHZ 161, 204 [213] = GRUR 2005, 349 [352] = WRP 2005, 476 — Klemm­bau­steine III; BGH, GRUR 2011, 436 = WRP 2011, 561 [Rn. 17] — Hartplatz­helden; Köhler / Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 4 Rn. 9.4).

Ob sich die Parteien im Streitfall überhaupt als Mitbe­werber (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 UWG) gegen­über­stehen, hat die Kammer offen gelassen. Im Berufungs­rechtszug bedarf es ebenfalls keiner abschlie­ßenden Entscheidung, ob unter den Umständen des Streit­falles bereits die Annahme eines konkreten Wettbe­werbs­ver­hält­nisses zwischen ihnen ausscheidet. Denn auch wenn angenommen wird, dass die auf einer anderen Absatz­stufe als die Klägerin stehende Beklagte mit ihrem an Endverbrau­cher gerich­teten Angebot von Creme in einer bestimmten Art von Tiegeln den Absatz gleich­ar­tiger Creme­tiegel an die von der Klägerin mit diesem Vorprodukt belie­ferten Abfüller von Kosme­tik­pro­dukten behindern kann (vgl. zur Konkurrenz auf unter­schied­lichen Wirtschafts­stufen Köhler / Bornkamm, a.a.O., § 2 Rn. 96d und e, 110), fehlt es an der unlau­teren Vermarktung eines Nach­ah­mungs­produktes durch die Beklagte.

bb) Um davon ausgehen zu können, müsste das nachge­ahmte Erzeugnis über wettbe­werb­liche Eigenart verfügen und das Hinzu­treten beson­derer Umstände festge­stellt werden können, welche die Nachahmung unlauter erscheinen lassen, wobei eine Wechsel­wirkung zwischen dem Grad der wettbe­werb­lichen Eigenart, der Art und Weise und der Inten­sität der Übernahme sowie den beson­deren wettbe­werb­lichen Umständen besteht, die die Unlau­terkeit der Nachahmung begründen (st. Rspr.: BGH, GRUR 2009, 1069 = WRP 2009, 1509 [Rn. 12] — Knoblauch­würste; GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 [Rn. 19] — Femur-Teil). Im Streitfall kann weder eine im Verhältnis der Parteien beacht­liche wettbe­werb­liche Eigenart des Erzeug­nisses der Klägerin noch das Vorliegen weiterer Unlau­ter­keits­merkmale festge­stellt werden.

(1) Wettbe­werb­liche Eigenart hat ein Erzeugnis, das durch seine konkrete Ausge­staltung oder bestimmte Merkmale geeignet ist, die angespro­chenen Verkehrs­kreise auf seine betrieb­liche Herkunft oder seine Beson­der­heiten hinzu­weisen (BGH, GRUR 2007, 984 = WRP 2007, 1455 [Rn. 16] — Garten­liege; GRUR 2009, 1073 = WRP 2009, 1372 [Rn. 10] — Ausbein­messer; GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 [Rn. 21] — Femur-Teil).

Im Streitfall ist — davon geht die Klägerin selbst aus — maßgeblich auf die Sicht der als Abnehmer der fertigen Kosme­tik­pro­dukte in Betracht kommenden Verbraucher abzustellen, die der Senat als Wettbe­werbs­ge­richt ebenso wie die erstin­stanzlich mit der Sache befasste Kammer selbständig zu beur­teilen vermag. Der Berufung ist zuzugeben, dass die Verbraucher sich bei Kosmetika der hier in Rede stehenden Art weniger an dem eigent­lichen Produkt — etwa an Farbe, Konsistenz oder Geruch der Hautcreme — als an seiner Ausstattung oder an der Marke orien­tiert. Dies gilt unabhängig von dem seitens der Klägerin behaup­teten, dem Durch­schnitts­ver­braucher unbekannten hohen Anteil der als Primär­ver­pa­ckung verwen­deten Behält­nisse an den Geste­hungs­kosten und der Preis­kal­ku­lation der Kosme­tik­an­bieter. Aller­dings vermag die Klägerin daraus nichts für die wettbe­werb­liche Eigenart ihres eigenen Produktes herzuleiten:

Wie das Landge­richt zutreffend angenommen hat, nimmt der Verbraucher die ihm in einer bestimmten Aufma­chung entge­gen­tre­tenden Kosme­tik­pro­dukte einheitlich wahr, ohne zwischen den Beson­der­heiten oder der betrieb­lichen Herkunft des Kosme­tikums und des Behält­nisses zu unter­scheiden. Letzteres mag unter Umständen bei Umver­pa­ckungen mit einem von den Kosme­tik­ar­tikeln erkennbar losge­lösten Verwen­dungs­zweck der Fall sein (vgl. BGH, GRUR 2008, 793 = WRP 2008, 1196 [Rn. 34] — Rillen­koffer), trifft auf Primärver­packungen der hier in Rede stehenden Art aber gerade nicht zu. Weil Kosme­tik­an­bieter gern auf exklusiv anmutende Gebinde zurück­greifen, um beim Publikum auf ihr Produkt bezogene Exklu­si­vi­täts­vor­stel­lungen zu wecken, liegt es auch bei einer ausge­fal­lenen Form des Behält­nisses fern, dass die Verbraucher Vorstel­lungen über eine vom Komplett­produkt zu trennende betrieb­liche Herkunft der Primär­ver­pa­ckung entwi­ckeln; für andere, handels­üb­liche Tiegel­formen gilt das erst recht.

Kommt es hiernach darauf an, ob der „Ice Cube” deutsche Verbraucher an Produkte eines bestimmten Kosme­tik­her­stellers denken lässt, so wirkt es sich zum Nachteil der Klägerin aus, dass sie den Creme­tiegel seit 2003 zwar zuerst nur an ein hier vertre­tenes Kosme­tik­un­ter­nehmen (K.) abgesetzt hat, geraume Zeit vor Klage­er­hebung aber dazu überge­gangen ist, auch andere Kosme­tik­an­bieter in Deutschland (Beauty M., Hollywood Nails), der Europäi­schen Union, der Schweiz und weiteren Ländern mit ihrem Erzeugnis zu beliefern (S. 7 der Berufungs­be­gründung, Anlage BK 1). Ihre Verhand­lungen mit Frau S. M. I. seit Ende 2007 belegen ebenfalls, dass die Klägerin den „Ice Cube” nicht exklusiv vermarktet, sondern selbst bei verschie­denen Kosme­tik­un­ter­nehmen plaziert hat, so dass dem isolierten Creme­tiegel der Klägerin aus Verbrau­cher­sicht als inzwi­schen weit verbrei­teter Primär­ver­pa­ckungsform keine wettbe­werb­liche Eigenart (mehr) zukommt.

(2) Selbst wenn ihm wegen seiner von Hause aus einpräg­samen Gestaltung eine gewisse Eignung verblieben wäre, auf Beson­der­heiten der vertrie­benen (Komplett-) Produkte hinzu­weisen, würde jeden­falls keine vermeidbare Herkunfts­täu­schung der als Abnehmer angespro­chenen Verbraucher (§ 4 Nr. 9 lit. a UWG) durch die — vom Produkt der Klägerin aller­dings kaum zu unter­schei­dende — Primär­ver­pa­ckung der von der Beklagten angebo­tenen Creme eintreten. Denn dass die angespro­chenen Verbraucher sich in der Kaufsi­tuation statt an der Kosme­tik­marke „S. M.®” und den Marken der in Betracht kommenden Konkur­renz­pro­dukte gerade an der nicht (mehr) exklu­siven Tiegelform orien­tieren und deshalb einer unmit­tel­baren Verwechslung der Hersteller unter­liegen oder lizenz- oder gesell­schafts­ver­trag­liche Bezie­hungen zwischen ihnen vermuten, ist nach Lage der Dinge auszuschließen.

Nur vorsorglich sei angemerkt, dass aus Sicht der unmit­tel­baren gewerb­lichen Abnehmer der Klägerin nichts anderes gelten würde, weil eine Täuschung der Abfüller von Kosme­tik­pro­dukten und ihrer fachkun­digen Mitar­beiter über die betrieb­liche Herkunft der von ihnen typischer­weise auf Grund sorgfäl­tiger Auswahl einge­kauften Primär­ver­pa­ckungen fern liegt (vgl. BGH, GRUR 2010, 1125 = WRP 2010, 1465 [Rn. 28 ff.] — Femur-Teil; Senat, WRP 2011, 109 — Joghurtbecher).

(3) Ebenso wenig liegt in der Verwendung des ähnlichen Cremebe­hälters allein eine unange­messene Ausnutzung der Wertschätzung (§ 4 Nr. 9 lit. b UWG) der im Tiegel der Klägerin angebo­tenen Kosmetika oder gar eines bei den angespro­chenen Verkehrs­kreisen bestehenden guten Rufs ihres eigenen Produkts, für den sie — nachdem das Landge­richt sie auf ihr unzurei­chendes diesbe­züg­liches Vorbringen hinge­wiesen hat — auch in zweiter Instanz bis auf ihre Umsatz­zahlen keine näheren Umstände dargetan hat.

(4) Soweit die Berufung die fehlende Berück­sich­tigung zusätzlich von ihr darge­legter Unlau­ter­keits­merkmale durch die Kammer beanstandet, dringt sie auch damit nicht durch.

Mangels wettbe­werb­licher Eigenart der nachge­ahmten Produkt­aus­stattung scheidet insbe­sondere die Annahme unlau­teren Verhaltens wegen unred­licher Erlangung darauf bezogener Kennt­nisse oder Unter­lagen (§ 4 Nr. 9 lit. c UWG) von vornherein aus (vgl. Nemeczek, WRP 2010, 1315 [1317]; Köhler / Bornkamm, a.a.O., § 4 Rn. 9.60).

Hinzu kommt, dass jeden­falls für ein unred­liches Verhalten der Beklagten keine hinrei­chenden tatsäch­lichen Anhalts­punkte dargetan sind. Selbst wenn nach dem bestrit­tenen Vorbringen der Klägerin ein vorver­trag­liches Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen ihr und Frau I. anzunehmen sein sollte, das mit der Auflage verbunden war, ihr im Rahmen der Akquise überlassene, der Allge­meinheit sonst unzugäng­liche Infor­ma­tionen und Unter­lagen nur im Interesse oder nach Weisungen der Klägerin zu verwenden (vgl. BGH, GRUR 2009, 416 = WRP 2009, 432 [Rn. 18 ff.] — Küchen­tiefst­preis-Garantie m.w.N.), folgt aus der treuwid­rigen Verwendung solcher Unter­lagen durch Frau I. oder die Streit­hel­ferin zur Plagi­ierung des „Ice Cube” noch keine Unred­lichkeit der Beklagten, zumal das bloße Ausnutzen fremden Vertrags­bruchs — selbst wenn es bewusst erfolgt — für sich genommen kein relevantes Unlauter­keits­merkmal darstellt (BGH, GRUR 2004, 941 [943] = WRP 2004, 1498 — Metallbett).

Im Übrigen enthält § 4 Nr. 9 UWG zwar keine abschlie­ßende Aufzählung möglicher Unlau­ter­keits­merkmale, doch können nicht von den genannten Fallgruppen erfasste Produkt­nach­ah­mungen mit Blick auf die grund­sätzlich bestehende Nachah­mungs­freiheit nur ganz ausnahms­weise als wettbe­werbs­widrig angesehen werden (BGH, GRUR 2007, 795 = WRP 2007, 1076 [Rn. 50 f.] — Handta­schen; GRUR 2008, 1115 = WRP 2008, 1510 [Rn. 32] — ICON). Angesichts dessen liegt es auf der Hand, dass die angeb­liche Verletzung von Schutz­rechten der Klägerin im Ausland — gegen die sie in den USA oder in Spanien vorgehen könnte — keinen wettbe­werbs­recht­lichen Unter­las­sungs­an­spruch gegen die Beklagte im Inland begründen kann.

c) Der Klägerin stehen schließlich auch keine urheber­recht­lichen Ansprüche (§§ 97 Abs. 1 und 2, 98, 101 Abs. 1 UrhG i.V.m. §§ 16, 17, 31 UrhG) gegen die Beklagte zu, denn der von ihrem Geschäfts­führer entworfene „Ice Cube” erreicht nicht die für ein urheber­rechtlich geschütztes Werk erfor­der­liche Schöp­fungshöhe (§ 2 Abs. 2 UrhG).

aa) Nach ständiger Recht­spre­chung — auch des Senats — werden an die Gestal­tungshöhe von Werken der angewandten bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), soweit sie einem Geschmacks­mus­ter­schutz zugänglich sind, gestei­gerte Anfor­de­rungen gestellt. Da sich bereits die geschmacks­mus­ter­schutz­fähige Gestaltung von der nicht geschützten Durch­schnitts­ge­staltung, dem rein Handwerks­mä­ßigen und Alltäg­lichen abheben muss, ist für die Urheber­rechts­schutz­fä­higkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durch­schnitts­ge­staltung und ein höherer schöp­fe­ri­scher Eigen­tüm­lich­keitsgrad als bei nur geschmacks­mus­ter­fä­higen Gegen­ständen zu verlangen, wobei die Grenze zwischen beiden nicht zu niedrig angesetzt werden darf (BGH, GRUR 1972, 38 [39] — Vasen­leuchter; GRUR 1995, 581 [582] = WRP 1995, 908 — Silber­distel; GRUR 2004, 941 [942] = WRP 2004, 1498 — Metallbett; Senat, GRUR-RR 2010, 89 — Kaminofen). An dieser Auffassung, die keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken begegnet (BVerfG, GRUR 2005, 410 — Laufendes Auge), ist ent­gegen der daran im Schrifttum geübten Kritik (vgl. nur Fromm / Nordemann / A. Nordemann, UrhR, 10. Aufl., § 2 Rn. 146–150 m.w.N.) weiterhin festzu­halten (ebenso Wandtke / Bullinger, UrhR, 3. Aufl., § 2 Rn. 24, 97). Die von der Klägerin im Berufungs­rechtszug vertretene Ansicht, dass die neuere Recht­spre­chung des Europäi­schen Gerichtshofs die deutschen Gerichte zur Aufgabe ihrer darge­stellten Auffassung und zum Schutz der „kleinen Münze” auch im Bereich des Gebrauchs- und Verpa­ckungs­de­signs zwinge, geht fehl.

Das von der Klägerin angeführte EuGH-Urteil vom 27.01.2011 — C‑168/09 (GRUR 2011, 216 = GRURInt 2011, 235 — Flos / Semeraro) betraf das Zusam­men­treffen von (mit der Richt­linie 98/71/EG über den recht­lichen Schutz von Mustern und Modellen) vollhar­mo­ni­siertem Geschmacks­mus­ter­recht und (mit der Richt­linie 93/98/EWG zur Harmo­ni­sierung der Schutz­dauer des Urheber­rechts und bestimmter verwandter Schutz­rechte und der Richt­linie 2001/29/EG zur Harmo­ni­sierung bestimmter Aspekte des Urheber­rechts und der verwandten Schutz­rechte in der Infor­ma­ti­ons­ge­sell­schaft) nur teilweise harmo­ni­siertem Urheber­recht. Im Fall einer geschmacks­mus­ter­fä­higen Designer­lampe hat der Europäische Gerichtshof die gesetz­liche Abkürzung der Schutz­dauer des zuvor bestehenden Urheber­rechts­schutzes in Italien als europa­rechts­widrig angesehen, aber keineswegs einer Aufgabe der vom natio­nalen Gesetz­geber autonom festzu­le­genden Bedin­gungen des Urheber­rechts­schutzes das Wort geredet. Seine Auslegung, wonach dem ersten Satz von Art. 17 der Richt­linie 98/97/EG eindeutig zu entnehmen sei, dass „für alle durch ein in dem betref­fenden Mitglied­staat oder mit Wirkung für ihn einge­tra­genes Recht an einem Muster geschützten Muster urheber­recht­licher Schutz zu gewähren ist” (Rn. 37), steht vielmehr im Zusam­menhang mit seinen Hinweisen auf den zweiten Satz von Art. 17, der „den Mitglied­staaten gestattet, den Umfang des Schutzes und dessen Bedin­gungen, einschließlich der erfor­der­lichen Gestal­tungshöhe, festzu­legen” (Rn. 35) und zur Folge hat, dass der nicht abkürzbare Schutz nur für solche Muster gilt, „die die von den Mitglied­staaten vorge­se­henen Bedin­gungen für die Erlangung des Urheber­rechts­schutzes, insbe­sondere die Bedingung der Gestal­tungshöhe, erfüllten” (Rn. 41).

bb) Die nach alledem von den natio­nalen Gerichten autonom zu bestim­mende urheber­recht­liche Schutz­grenze, nämlich jene von der deutschen Rechtspre­chung gefor­derte, die Durch­schnitts­ge­staltung deutlich überra­gende Gestal­tungshöhe, „die es nach den im Leben herrschenden Anschau­ungen recht­fertigt, von Kunst zu sprechen” (vgl. BGH, GRUR 1987, 903 [904] — Le-Corbusier-Möbel), erreicht der Creme­tiegel „Ice Cube” nicht. Unabhängig von der Vorbe­kanntheit einzelner prägender Merkmale (vgl. insbe­sondere das als Anlage St 1 mitge­teilte US-Patent Des. 327,423) liegt seinem Design, als dessen Grundidee die Integration eines mittig aufschraub­baren, außen metal­lisch schim­mernden kugel­för­migen Behält­nisses in einen würfel­för­migen durch­sich­tigen Kunst­stoff­block mit abgerun­deten Ecken bezeichnet werden kann und das insoweit über eine gefällige Kombi­nation ästhe­tisch nahe­liegender und zweck­mä­ßiger Elemente nicht wesentlich hinaus­geht, kein im vorge­nannten Sinne künst­le­ri­scher Wurf zu Grunde.

III.

Die Kosten­ent­scheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreck­barkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Das Urteil beruht auf der tatrich­ter­lichen Anwendung anerkannter Rechts­grund­sätze in einem Einzelfall, ohne dass der Sache grund­sätz­liche Bedeutung zukommt oder die Sicherung einer einheit­lichen Recht­spre­chung eine Entscheidung durch den Bundes­ge­richtshof erfordert.

Der Streitwert für das Berufungs­ver­fahren wird endgültig auf 150.000,00 EUR festge­setzt, wobei der Senat einer­seits berück­sichtigt, dass das wirtschaft­liche Interesse der Klägerin an der Durch­setzung ihrer Ansprüche zur Zeit der Berufungs­einlegung nach ihren Angaben infolge des nicht mehr rückgängig zu machenden Exklusivitäts­verlustes tenden­ziell geringer war als bei Klage­er­hebung. Anderer­seits konnte nicht unberück­sichtigt bleiben, dass die Klägerin sich mit der Berufung auch auf urheber­recht­liche Ansprüche stützt, so dass der Gegenstands­wert des Rechts­streits in der Berufungs­in­stanz keines­falls niedriger anzusetzen ist als in erster Instanz.