LG Hamburg: AfD-Politi­kerin Dr. Alice Weidel darf Nazi-Schlampe genannt werden — von der Satire Show extra 3

Das Landge­richt hat einen Antrag der AfD-Politi­kerin Dr. Alice Weidel auf Unter­lassung bezüglich einer extra 3 Sendung des NDR mit der Äußerung, sie sei eine Nazi-Schlampe, abgelehnt. Die Richter wogen Meinungs­freiheit und Persön­lich­keits­rechte ab und kamen zu dem Schluss, dass die erkennbar überspitzte Äußerung klar als Satire erkennbar ist und damit kein Unter­las­sungs­an­spruch besteht. Natürlich geht die Politiker gegen das Urteil in Berufung, die mediale Aufmerk­samkeit kommt ihr vor der Bundes­tagswahl sicher recht.

Die Presse­mit­teilung des LG Hamburg zum AZ.: 324 O 217/17:

Das Landge­richt Hamburg hat mit Beschluss vom 11. Mai 2017 einen Antrag der AfD-Politi­kerin Dr. Alice Weidel auf Erlass einer einst­wei­ligen Verfügung gegen den Norddeut­schen Rundfunk zurück­ge­wiesen. Der Antrag richtet sich gegen eine Äußerung des Moderators der NDR-Sendung „extra 3“ vom 27. April 2017, in der die Antrag­stel­lerin als „Nazi-Schlampe“ bezeichnet wurde. Nach der Entscheidung des Gerichts handelt es sich dabei um Satire, die im konkreten Kontext der Äußerung von der Meinungs­freiheit gedeckt ist. Als Spitzen­kan­di­datin der AfD steht die Antrag­stel­lerin im Blick­punkt der Öffent­lichkeit und muss auch überspitzte Kritik hinnehmen.

Gegen­stand der Satire­sendung vom 27. April 2017 war der Parteitag der AfD, auf dem die Antrag­stel­lerin zur Spitzen­kan­di­datin gewählt wurde. Im Anschluss an ihre Wahl hielt sie eine Rede, in der es u.a. heißt: „ Es muss endlich Schluss damit sein, dass dieje­nigen, die auf die Missstände in unserem Land hinweisen, härter bekämpft werden als die Missstände selbst. Und wir werden uns als Demokraten und Patrioten trotz dessen nicht den Mund verbieten lassen. Denn die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“. In der Sendung wurde zunächst diese Sequenz einge­spielt, die der Moderator mit den Worten „Jawoll, Schluss mit der politi­schen Korrektheit! Lasst uns alle unkorrekt sein, da hat die Nazi-Schlampe doch recht. War das unkorrekt genug? Ich hoffe!“ kommentierte.

Der Entscheidung liegt eine Abwägung zwischen der Meinungs­freiheit und dem allge­meinen Persön­lich­keits­recht der Antrag­stel­lerin zugrunde. Für die recht­liche Beurteilung müssen die konkrete Präsen­tation und der Zusam­menhang zu berück­sich­tigen, in den die Aussage gestellt worden ist. Eine Verletzung des allge­meinen Persön­lich­keits­rechts ist nur anzunehmen, wenn die von ihrer satiri­schen Umkleidung freige­legte Aussage die Würde des Betrof­fenen in ihrem Kernbe­reich trifft.

Einer Bewertung der Äußerung als unzulässige Formal­be­lei­digung steht es entgegen, wenn – wie hier – mit Bezug auf den Gegen­stand der Satire eine Ausein­an­der­setzung in der Sache erfolgt und nicht die persön­liche Diffa­mierung des Betrof­fenen im Vorder­grund steht.

Die umstrittene Äußerung bezieht sich mit den Begriffen „Nazi“ und „Schlampe“ in klar erkenn­barer satiri­scher Weise, d.h. durch typische Übertreibung, auf die aktuelle Forderung der Antrag­stel­lerin, die politische Korrektheit gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte. In diesem Zusam­menhang soll die besonders scharfe Wortwahl „Nazi-Schlampe“ als politisch – und auch sonst – nicht akzep­tierte Formu­lierung  zeigen, wohin die Forderung der Antrag­stel­lerin führen könnte. Erkennbar geht es nicht darum, dass die Antrag­stel­lerin hinter dem Leitbild des Natio­nal­so­zia­lismus stehen würde oder sie Anlass für die Bezeichnung als „Schlampe“ gegeben hätte. Der Zuschauer begreift den Begriff „Nazi“ als grobe Übertreibung, die an die Wahl der Antrag­stel­lerin zur Spitzen­kan­di­datin der AfD anknüpft, nimmt deswegen aber nicht an,  dass die Antrag­stel­lerin Anhän­gerin der Nazi-Ideologie sei. Es kann dahin­stehen, ob die Bezeichnung „Schlampe“ stets eine sexuelle Konno­tation habe, wie die Antrag­stel­lerin vorträgt. Denn es ist erkennbar, dass die Bezeichnung „Schlampe“ in einem solch verstan­denen Sinne keinen Wahrheits­gehalt beansprucht, sondern als Anknüpfung an deren Äußerung zur politi­schen Korrektheit nur gewählt wurde, weil die Antrag­stel­lerin eine Frau ist.

Die Entscheidung des Landge­richts Hamburg ist nicht rechts­kräftig. Der Bevoll­mäch­tigte der Antrag­stel­lerin hat angekündigt, gegen die Zurück­weisung ihres Antrags sofortige Beschwerde einzu­legen, über die das Hansea­tische Oberlan­des­ge­richt zu entscheiden hätte.