Spannende Frage — Abmah­nungen in andere europäische Ländern können Rechts­streit in diesen provozieren.

Ein Rechts­streit Logitech vs Tech21 zwischen Logitech und Tech21, eine UK-Firma, die Schutz­hüllen und –folien für Smart­phones herstellt, zeigt die Grenzen und Risiken europäi­scher Schutz­rechts­ver­folgung auf und wo die Verletzung von EU-weiten IP-Rechte gerichtlich verfolgt werden können und wo nicht.

Im Jahr 2013 haben die beiden Firma Logitech und Tech21 begonnen gemeinsam Schutz­hüllen für iPads zu entwi­ckeln. Dazu haben sie einen NDA unter­zeichnet und später auch eine Produk­tions- und Vertriebs­ver­ein­barung getroffen. Allerding trennten sich die Unter­nehmen nachdem sie gemeinsam die Entwicklung begonnen hatten und gingen ab 2014 ihren eigenen Weg.

Ein halbes Jahr später entdeckte Logitech, dass Tech21 Schutz­hüllen unter dem Namen “Impact Folio” im Apple Stores in London und Köln verkauft.
Darüber war Logitech nicht erfreut und sah das von ihm entwi­ckelte Design verletzt. Logitech ließ Tech21 von seinen deutschen Rechts­an­wälten eine Abmahnung senden, in dem sie Tech21 mitteilten, sie würden ein nicht einge­tra­genes Gemein­schafts­ge­schmacks­muster von Logitech verletzen und sollte sofort den Verkauf einstellen; andern­falls drohen Konsequenzen.

„If you do not comply with the before-signed claims not fully or not in due course our client will reserve its rights to take legal action against you which would cause further costs.“

Nachdem Logitech vor dem Landge­richt in Düsseldorf eine Einst­weilige Verfügung beantragte und diese auf Anraten des Gerichtes aber nach der mündlichen Verhandlung zurücknahm, hat Tech21 in Großbri­tanien vor dem Gericht eine Klage eingereicht.
Darin beantragt Tech21 drei Punkte gegenüber der Beklagte, Logitech Europe SA, festzustellen:

  1. dass Tech21 nicht das nicht einge­tragene Gemein­schafts­ge­schmacks­muster von Logitech verletzt,
  2. dass Logitech nicht berechtigt ist, Tech21 mit einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Gemein­schafts­recht aus einem nicht einge­tra­genen Geschmacks­muster zu drohen und
  3. dass Tech21 auch kein nicht einge­tra­genes UK-Design verletzt.

Logitech reagierte auf die Klage mit einem Antrag, dass das britische Gericht (England and Wales High Court (Chancery Division)) nicht zuständig sei und der Klage­antrag daher zurück­zu­weisen ist.

Der englische High Court hatte sich mit dieser Klage befasst und dabei die folgenden Fragen beantwortet:

  1. Ist das Gericht zuständig für einen Antrag auf Feststellung, dass die Handlung von Tech21 das nicht regis­trierte Gemein­schafts­ge­schmacks­muster von Logitech nicht verletzt?
  2. Ist das Gericht zuständig für eine Feststellung, dass die Abmahnung der Logitech und die enthal­tenen Drohungen unberechtigt sind?
  3. Ist das Gericht dafür zuständig festzu­stellen, dass keinen Verstoß gegen eine in Großbri­tannien nicht einge­tragene Design zugunsten Logitech gegeben ist?

Bei einem nicht einge­tra­genen Gemein­schafts­ge­schmacks­muster handelt es sich um ein kurzle­biges Schutz­recht für das Design eines Produkts. Es entsteht automa­tisch, wenn ein neues Design, das einen “indivi­du­ellen Charakter” hat, auf den Markt gebracht wird und gewährt dem Inhaber einen 3‑jährigen Schutz gegen Nachahmer.
Bereits als dieses Recht einge­führt wurde, versucht der Europäische Gesetz­geber das sogenannte “forum shopping” zu verhindern, damit die Kläger sich nicht das für sie geeig­netste Gerichts­system aussuchen können und legte genau fest, welches Gericht jeweils zuständig ist.

Der Richter am High Court hat nun ein Statement verfasst und den Parteien zukommen lassen, in denen er seine recht­liche Bewertung wiedergibt.

1. Bezüglich der Zustän­digkeit hinsichtlich des nicht regis­trierten Gemein­schafts­ge­schmacks­musters verweist der Richter auf Artikel 81 (b) und 82 (1) EU-Design Verordnung. Dort wird festgelegt, dass die Gerichte des Mitglieds­staates zuständig sind, in dem der Beklagte ansässig ist oder eine Nieder­lassung hat.

Da das Schweitzer Unter­nehmen Logitech in den Nieder­landen und Kroatien eine Nieder­lassung hat, wäre ein Gericht in diesen beiden EU-Mitglieds­staaten zuständig.

Dementspre­chend ist der High Court in Großbri­tanien nicht zuständig, um einen Antrag auf Feststellung der Nicht­ver­letzung eines Gemein­schafts­ge­schmacks­mus­ter­rechts von Logitech zu behandeln.

2. Anders ist das Ergebnis des Richters bezüglich der Frage, ob er für die unberech­tigte Abmahnung zuständig ist.

Tech21 argumen­tiert, dass die Abmahnung eine Drohung bezüglich recht­licher Schritte vor den briti­schen Gerichten darstellt und dabei handelt es sich unter briti­schen Recht um eine unerlaubte Handlung. Unter Artikel 5 (3) des Lugano-Überein­kommens von 2007 ist Tech21, als ein Unter­nehmen mit Sitz in Großbri­tanien, berechtigt Logitech, ein Schweitzer Unter­nehmen, im Zusam­menhang mit unerlaubten Handlungen in Großbri­tanien zu verklagen, wenn das “der Ort ist, an dem das schädi­gende Ereignis einge­treten ist.“
Da Tech21 die Abmahnung in Großbri­tanien erhalten hat, ist auch das dortige Gericht zuständig.

Dem entgegnete Logitech, dass die Regeln der EU-Design Verordnung vorgehen und daher auch hier die Zustän­digkeit des briti­schen Gerichtes nicht gegeben ist.

Der Richter nimmt jedoch nicht an, dass die EU-Design Verordnung einschlägig ist und verweist auf den Fall Samsung Electronics (UK) v Apple in dem der High Court bereits entschieden hat, dass Ansprüche hinsichtlich der Drohung aufgrund behaup­teter design­recht­lichen Aspekt, nicht unter Artikel 81 (b) und 82 (1) EU-Design Verordnung fallen.

Damit ist das britische Recht einschlägig und die Zustän­digkeit des High Courts gegeben.

3. Letztlich verneint der Richter seine Zustän­digkeit bezüglich der Feststellung hinsichtlich des nicht regis­trierten UK Designs. Dies aller­dings da die Abmahnung selber nicht auf Ansprüche aus einem nicht regis­trierten UK Designs basiert.

Was bedeutet das in der Praxis? 
Abmah­nungen wegen der Verletzung von IP-Rechten gegenüber in anderen Europäi­schen Mitglied­staaten ansäs­sigen Firmen müssen sorgfältig ausge­ar­beitet werden, damit vermieden werden kann, dass am Ende in dem Land ein Verfahren gegen Sie anhängig wird. Nicht nur in Deutschland gibt es einen Schaden­er­satz­an­spruch und Feststel­lungs­an­spruch bei unberech­tigten Schutz­rechts­ab­mah­nungen. Wie der obige Fall zeigt, ist dies auch in Großbri­tannien der Fall. Hier gilt es vorher abzuwägen, welches Kosten­risiko tatsächlich mit entspre­chenden Maßnahmen verbunden ist und wie weit Drohungen in der Abmahnung formu­liert werden.