Urheber von Werken der angewandten Kunst werden bessergestellt

Der I. Zivil­senat des Bundes­ge­richtshofs ist zuständig für das Urheber­recht und mit seiner Entscheidung vom 13. November 2013 eine wesent­liche Änderung seiner Recht­spre­chung in Sachen des Urheber­recht­schutz von Werken der angewandten Kunst vollzogen und klarge­stellt, dass seit der Änderung des Geschmacks­mus­ter­ge­setzes zum 1. Juni 2004 grund­sätzlich keine höheren Anfor­de­rungen an die Voraus­set­zungen für den Schutz zu stellen sind als an den von Werken der zweck­freien Kunst.

In dem Verfahren stritt eine selbständige Spiel­wa­ren­de­si­gnerin, die für eine Spiel­wa­ren­her­stel­lerin im Jahr 1998 unter anderem Entwürfe für einen Zug aus Holz, auf dessen Waggons sich Kerzen und Ziffern aufstecken lassen (“Geburts­tagszug”) zeichnete. Damals erhielt die Designerin von Ihrer Auftrag­ge­berin eine Vergütung von 400,00 DM (ca. 200,00 Euro). Nachdem das von ihr entworfene Produkt sich als sehr erfolg­reich erwies, verlangte sie eine einer (weiteren) angemes­senen Vergütung.

Mit ihrer Klage war die Designerin in den ersten Instanzen nicht erfolg­reich, da die dortigen Richter in Anlehnung der bishe­rigen Recht­spre­chung des BGH davon ausgingen, dass die angefer­tigten Entwürfe nicht urheber­rechtlich geschützt sein. Grundlage für diese Einschätzung war der Grundsatz des BGH, dass bei Werken der angewandten Kunst, soweit sie einem Geschmacks­mus­ter­schutz zugänglich seien, höhere Anfor­de­rungen an die für einen urheber­recht­lichen Schutz erfor­der­liche Gestal­tungshöhe zu stellen sind als bei Werken der zweck­freien Kunst. In den bisher zu dieser Frage ergan­genen Entscheidung wurde diese immer mit dem Argument begründet, dass für solche Werke der angewandten Kunst mit dem Geschmacks­mus­ter­recht ein dem Urheber­recht wesens­gleiches Schutz­recht zur Verfügung stehe. Da sich bereits die geschmacks­mus­ter­schutz­fähige Gestaltung von der nicht geschützten Durch­schnitts­ge­staltung abheben müsse, sei für die Urheber­rechts­schutz­fä­higkeit ein noch weiterer Abstand, das heißt ein deutliches Überragen der Durch­schnitts­ge­staltung zu fordern. Diese sehr strenge Vorgabe wurden regel­mäßig bei Werken der angewandten Kunst nicht erreicht, so dass es für Urheber solcher Werke des Alltags­ge­brauchs, wie Möbel, Geschirr, Technik oder ähnlichem nahe unmöglich war, Urheber­rechte durchzusetzen.

Nun musste sich der Bundes­ge­richtshof erstmals nach der Reform des Geschmacks­mus­ter­rechts im Jahr 2004 mit einer solchen Bewertung ausein­ander setzen.

Im Rahmen diese Reform wurde das Geschmacks­mus­ter­recht weitest­gehend vom Urheber­recht getrennt und ein eigen­stän­diges gewerb­liches Schutz­recht geschaffen. Wesentlich dafür ist, dass der Schutz als Geschmacks­muster nicht mehr eine bestimmte Gestal­tungshöhe erfordert, sondern die Unter­schied­lichkeit des Musters. Zudem schließen sich nun Geschmacks­mus­ter­schutz und Urheber­rechts­schutz nicht aus, sondern können neben­ein­ander bestehen. Diese neuen Entwick­lungen erfordern es, die bisherige Recht­spre­chung anzupassen und deshalb recht­fertigt der Umstand, dass eine Gestaltung dem Geschmacks­mus­ter­schutz zugänglich ist, es nicht, ihr den Urheber­rechts­schutz zu versagen bzw. von beson­deren Voraus­set­zungen abhängig zu machen.

Damit stellten die Richter klar, dass der Urheber­rechts­schutz von Werken der angewandten Kunst grund­sätzlich keine anderen Anfor­de­rungen recht­fertigt, als dies beim Urheber­rechts­schutz von Werken der zweck­freien bildenden Kunst oder des litera­ri­schen und musika­li­schen Schaffens der Fall ist.

Im Ergebnis ist eine Gestal­tungshöhe ausrei­chend, die es nach Auffassung der für Kunst empfäng­lichen und mit Kunst­an­schau­ungen einiger­maßen vertrauten Kreise recht­fertigt, von einer “künst­le­ri­schen” Leistung zu sprechen.

Hinsichtlich des seitens der Designerin geltend gemachten Vergü­tungs­an­spruchs weist das Gericht aber darauf hin, dass dieser erst nach dem 1. Juni 2004 entstanden ist, denn für den davor­lie­genden Zeitraum konnte sich die Beklagte mit Blick auf die bisherige Recht­spre­chung des Bundes­ge­richtshofs darauf vertrauen, keine entspre­chende Vergütung zahlen zu müssen. Die genaue Höhe der Vergütung hat das Berufungs­ge­richt nun festzu­legen, denn die Richter haben die Entscheidung zurückverwiesen.